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Wo sich Raucher Hühner halten

Montag, 3. Dezember 2012

Am 26. Oktober läutete das Bundesgericht in Lausanne praktisch das Ende von Rauchvereinen ein, welche einzig und alleine gegründet worden waren, um das Rauchverbot in Lokalen zu umgehen. In der ehemaligen „Traube“ in Algetshausen lässt man sich nicht davon beirren und raucht weiter, denn der Vereinszweck ist ein anderer: die Hühnerhaltung.

CHRISTOF LAMPART

Draussen vor der Türe führen in einem grossen Gehege fünf  Hühner ein vergnügliches Leben.  Jörg Guggenbühl kennt sie alle mit Namen. Und kaum schaut der 68-jährige aus der Tür heraus, so kommen die Hennen auch schon gelaufen. „Die denken wohl, dass es jetzt Futter gibt“, sagt Guggenbühl.

Sieben Tage in der Woche offen

Mit „Futter“ ganz anderer Art, nämlich Juristenfutter, hatte sich in den Jahren zuvor der ehemalige „Trauben“-Beizer herumzuschlagen. Ein „Chrampfer“ war Guggenbühl schon immer – nicht erst, seit er 1982 die „Traube“ übernahm und darauf wirtete. „Immer wieder kam es zu Polizeikontrollen; manche waren reine Schikane, so dass es mir mit der Zeit verleidete“, erinnert sich Guggenbühl, welcher in der Vergangenheit schon einen Haflingerhof und später einen Trike-Verleih betrieb – beides mit grossem Erfolg, aber halt auch sehr arbeitsaufwändig. Im März 2009 gab er sein Wirtspatent zurück. Doch Ruhe herrscht seitdem in der „Traube“ mitnichten. „Ich habe sieben Tage in der Woche und von 6.30  bis 24 Uhr  offen, schliesslich wollen die Vereinsmitglieder betreut werden.“ Guggenbühl sagt „betreut“ – und meint es auch so. Denn „bedienen“ tut er schon lange nicht mehr. Wer in „Simpsons Fan Gemeinde“, wie der in der „Traube“ ansässige Verein seit gut drei Jahren heisst, einkehren möchte, muss Mitglied sein. 20 Franken kostet die Mitgliedschaft. Dafür gibt es an der Jahresversammlung ein Abendessen gratis und einen U-Key, den man benutzen kann, um sich selbst aus dem Automaten ein Getränk oder einen Snack zu ziehen. Vorausgesetzt, dass man den U-Key zuvor aufgeladen hat. „Das geht bei uns alles bargeldlos. Und Konsumationszwang herrscht bei uns auch nicht“, so Guggenbühl. 

Ohne Wirtspatent keine Beiz?

Rund 100 Mitglieder zählt „Simpsons Fan Gemeinde“ heute. Wer nicht Mitglied ist, bzw. nicht vor hat, Mitglied zu werden, kann das Gebäude nicht betreten. Die meisten Mitglieder kommen aus der näheren Umgebung. „Rund 80 Prozent dürften aus Algetshausen, Henau, Uzwil und Schwarzenbach kommen“, schätzt Guggenbühl. Dass er seinen Verein nun nach dem Lausanner Gerichtsurteil auch schliessen muss, wie etliche Raucherbeizen, bzw. –Klubs,  glaubt Guggenbühl nicht. Zum einen habe er noch nichts von den zuständigen Behörden gehört und zum anderen gehe er davon aus, dass sein Verein nicht als Restaurant gewertet wird: „Schliesslich habe ich kein Wirtspatent, also ist es auch keine Beiz.“ Und auch der Vereinszweck gelte nicht dem Rauchen, sondern „der Pflege unserer Hühner“.  Auch ein bis zwei Wanderungen werden im Jahr durchgeführt. „Wir haben es hier gerne gemütlich und beschaulich“, erklärt Guggenbühl freimütig.

Sollte seine Argumentation beim Staat auf taube Ohren stossen, dann wäre er durchaus dazu bereit, sich „zum ersten Mal im Leben einen Anwalt zu nehmen.“ Vor den Schranken des Gerichts rechnet sich Jörg Guggenbühl, keine schlechten Chancen aus, denn  das ehemalige Restaurant ist  in seinem Privatbesitz, und „in meinem Haus darf ich wohl noch rauchen“, so der Liebhaber traditioneller Tabakpfeifen. Nichtdestotrotz werden im Frühling 2013 in „Simpson Fan Gemeinde“ wohl keine Zigaretten, Zigarren und Pfeifen mehr geraucht werden. Ganz einfach deshalb, weil sich der Verein an seiner Hauptversammlung am kommenden 1. April aller Voraussicht nach umbenennen wird. „Wir werden dann wohl „Simpsons Kulturverein“ heissen“, so Guggenbühl.  

 „Ich weiss es echt nicht“

Bei einer Anfrage in Sachen „Simpsons Fan Gemeinde“ und ihrer Legalität sieht der Rechtsdienst des Gesundheitsdepartements des Kantons St. Gallen wenig Spielraum bezüglich der Interpretation.  „Meines Erachtens ist so ein Verein nicht rechtens, denn gemäss der Verordnung über den Schutz vor dem Passivrauchen gilt das Rauchverbot in allgemein zugänglichen geschlossenen Räumen. Sobald die Öffentlichkeit Zutritt zu Räumen hat, gelten diese als allgemein zugänglich. Sie unterstehen auch dann dem Rauchverbot, wenn die Entrichtung eines Eintrittsgeldes oder eine Mitgliedschaft verlangt wird. Auch die Bezeichnung eines Betriebs, zum Beispiel als Raucherklub, ist nicht massgebend“, erklärt die stellvertretende Leiterin des Rechtsdienstes des Gesundheitsdepartements St. Gallen, Christa Hänsli.

Uzwil prüft, ob ein Patent benötigt wird

Bei der Gemeinde Uzwil, welche für die Patenterteilung für Wirtschaften in Algetshausen zuständig ist, kennt man den Fall. Er ist sogar ziemlich aktuell. „Wir prüfen gerade, ob Herr Guggenbühl ein Wirtspatent braucht“, erklärt der Leiter der Gemeindekanzlei Uzwil, Marcel De Tomasi. Für ihn ist hingegen „ganz klar, dass das Rauchverbot gilt“.  Dass der Verein den Zweck der Hühnerhaltung haben soll, ist für ihn neu. „Davon steht in den Statuten, die mir vorliegen, nichts.“ Würde „Simpson Fan Club“ aber patentpflichtig, so bedeutete dies, dass die kleine Wirtschaft zwingend über ein Fumoir verfügen müsste, da ansonsten im dann als Gastrobetrieb geltenden Raum nicht geraucht werden dürfte. Und diese Investition dürften Jörg Guggenbühl und die Vereinsmitglieder kaum stemmen wollen oder können. Was wiederum das Aus für den „Rauchverein“ bedeutete. Trotz Hühnerhaltung.