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Weg vom Image der grauen Maus

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Zeit seines Bestehens hat das Spritzgusswerk der Diessenhofener Lapp Kabel AG schon einige Höhen und Tiefen durchgemacht. Zum 25-Jahre-Jubiläum macht sich die Firma daran, neue Geschäftsfelder zu erschliessen. CHRISTOF LAMPART

DIESSENHOFEN. «Lapp Kabel AG? Nie gehört!». So oder ähnlich dürften viele Menschen reagieren, wenn sie den Namen der Diessenhofener Firma hören – sofern sie nicht aus der Kabel- und Steckerbranche stammen. Tatsächlich sind nicht nur die meisten der gefertigten 175 Mio. Kunststoffteile und 75 Mio. Fertigprodukte grau, auch das bisherige Image der Unternehmung ist es. Dazu passt die fast anachronistisch anmutende Tatsache, dass das Spritzgusswerk, das mit 37 Angestellten jährlich 10 Mio. Franken umsetzt, immer noch keine eigene Webseite hat. Wer heute den Namen Lapp Kabel googelt, landet auf der Webseite des Mutterkonzerns: der in Stuttgart beheimateten Lapp-Gruppe. Einem Konzern, der weltweit mit 3200 Mitarbeiten gut 840 Mio. € umsetzt.

Neue Geschäftsfelder angepeilt

Doch zukünftig soll sich vieles ändern – und das fängt schon beim Namen an: In Zukunft wird die Firma Lapp Tec AG heissen. Tec steht dabei für Kunststoff-Technologiekompetenz und für die Dienstleistungspalette vom Produkt-Engineering bis zur Serienproduktion von Kunststofflösungen.

Als Geschäftsführer Roman Germann vor eineinhalb Jahren die Stelle im Familienunternehmen antrat, befand sich die Firma in einer Talsohle, was eine Restrukturierung und Entlassungen zur Folge hatte. «Damals machte uns der starke Franken zu schaffen, zumal wir unsere Geschäfte ausschliesslich in Euro abwickeln», sagt Germann. Die Ausgangslage ist zwar gleich geblieben, doch hat sich mit der Einführung des japanischen Lebens- und Arbeitsprinzips Kaizen (Wandel zum Besseren) auch im Produktionsbetrieb vieles zum Guten geändert.

Krise ist überwunden

Die Angestelltenzahl ist wieder auf dem Stand von vor der Krise und die Erschliessung neuer Geschäftsfelder wird gezielt angepeilt. «Bis jetzt hatten wir vor allem einen Kunden: unser Stuttgarter Mutterhaus. Davon wollen wir uns bis ins Jahr 2020 zunehmend lösen, um ein Klumpenrisiko zu vermeiden.

Dies soll geschehen, indem die Diessenhofener nun sukzessive die Gesamtverantwortung für die Produktmarke Skintop der Lapp-Gruppe übernehmen, das heisst, zusätzlich zur Produktion auch die Verantwortung für die Weiterentwicklung des Sortiments und für verschiedene Vertriebsaufgaben. Parallel dazu erfolgt die Ausrichtung des Unternehmens auf Kunden ausserhalb der Lapp-Gruppe. So soll bis ins Jahr 2020 ein Drittel des Umsatzes mit Neukunden erwirtschaftet werden, der sich bis dann auf rund 20 Mio. Franken verdoppeln soll. Diese Grösse müsse erreicht werden, sagt Germann, wenn der Schweizer Ableger langfristig seine Eigenständigkeit innerhalb der Lapp-Gruppe behalten wolle.

Und so muss sich die «graue Maus» von gestern heute auf einmal mit vielem auseinandersetzen, was bis dato vom Hauptsitz in Stuttgart aus erledigt wurde. Die Palette der neuen Aufgaben reicht von relativ banalen Dingen wie dem Erstellen einer eigenen Webseite und der Einrichtung eines Empfangsschalters bis hin zum Ausbau der Technik mit einem eigenen Produktentwicklungs- und Projektleiterteam sowie dem komplexen Aufbau eines eigenen Vertriebssystems. Für Roman Germann stellt diese «grüne Wiese» eine «optimale Ausgangslage» für einen wirkungsvollen Markteintritt als Eigenmarke dar. «Obwohl es uns als gruppeninterne Produktionsstätte schon seit 25 Jahren gibt, sind wir nach aussen praktisch unbekannt. «Als Hersteller und Dienstleister können wir uns nun deshalb ein ganz eigenes Profil geben», so Germann.

Stecker und Kinderspielzeug

Primäres Ziel ist es, mit den langjährigen Erfahrungen und Kompetenzen im Elektro- und Elektrozubehörmarkt Fuss zu fassen und erfolgreich zu sein. Mögliche neue Geschäftsfelder gibt es viele. Grundsätzlich kämen alle Branchen in Frage, die Produkte aus Spritzguss-Kunststoff herstellten, sagt Germann. Als «sehr interessant», erachtet er etwa den Automobilmarkt, «zumal in der Ostschweiz auch viele Zulieferbetriebe der Autohersteller ihren Sitz haben». Aber auch der Bereich eMobility (Elektrofahrzeuge, Eisenbahn) oder die Konsumgüterindustrie (Stichwort: Playmobil) seien denkbare Branchen.

Ein neues Kompetenzzentrum

Drittens will die zukünftige Lapp Tec AG als Dienstleister am Markt auftreten, indem sie die Firmen innerhalb und ausserhalb der Lapp-Gruppe berät und in der Lancierung neuer Produkte mit verschiedenen Dienstleistungen in der Produktentwicklung, dem Prototyping, in Prüf- und Zertifizierungsprozessen bis hin zum Hochfahren der Serienfertigung unterstützt. «Geht alles glatt, haben wir hier in einigen Jahren das Spritzguss-Kompetenzzentrum der Lapp-Gruppe realisiert», blickt Germann voraus. Aktuell wird die Möglichkeit geprüft, das Mess- und Prüflabor auszubauen, in dem auch andere Firmen ihre Spritzgussteile auf Herz und Nieren prüfen könnten.