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Muss Bronschhofen für alte Wiler „Müll-Sünden“ mit bezahlen?

Mittwoch, 2. Februar 2011

Dreibrunnen – der bekannte Wallfahrtsort im südlichen Dorfteil Bronschhofens lädt viele zum kontemplativen Verweilen ein. Normalerweise. Doch mit der Ruhe könnte es bald vorbei sein, denn seit Jahrzehnten lagert - vielleicht giftiger? - Wiler Müll im Boden. Doch selbst im Vorfeld der Fusionsabstimmung zwischen Bronschhofen und Wil ist unklar, wer für eine allfällige Sanierung aufkommen würde.

CHRISTOF LAMPART

Ab und an laden Gemeinderäte und öffentliche Verwaltungen die mündigen Bürger zu Fragestunden ein. Die Menschen sollen einen Ansprechpartner für ihre Fragen, ihre Nöte haben. Manchmal reicht es, wenn man einem nur verständnisvoll zuhört. Manchmal möchte man aber auch konkrete Fragen beantwortet haben.

Müllfrage = Fusionsfrage?

Und eine solche stellte der Bronschhofer SVP-Kantonsrat Peter Meile im Jahr 2010 an einem öffentlichen Diskussionsforum zur Gemeindefusion zwischen Wil und Bronschhofen dem Wiler Stadtpräsidenten Bruno Gähwiler. Meile wollte von Gähwiler wissen, ob die Stadt Wil für den Müll, den diese Mitte des 20. Jahrhunderts während Jahren unkontrolliert auf Bronschhofer Boden entsorgt habe, einen Sanierungsfonds äufnen werde. Zu gut Deutsch: wird Wil für seine „Müll-Sünden“ der Vergangenheit auch finanziell gerade stehen oder will man zuwarten, bis die Fusion mit Bronschhofen Tatsache ist? Denn dann, so Meile, würden auch die Bronschhofer daran zahlen müssen – und das „ist nicht recht“, findet Meile.

Dass es so weit aber kommen könnte, schwant Meile schon heute, denn er sei damals regelrecht von Gähwiler mit dem Hinweis herunter geputzt worden, dass die Deponiefrage gar nichts mit der Fusion zu tun habe. Auch Bronschhofens Gemeindepräsident Max Rohr sah auf Anfrage Meiles die Sache nicht als vordringlich an.

Wenn sich da Gähwiler und Rohr bloss mal nicht irren.

Denn Peter Meile wurde am 21. September 2010 persönlich im Amt für Umwelt und Energie des Kantons St. Gallen in der Kantonshauptstadt vorstellig. Er wollte vom dortigen Rechtsdienst wissen, ob die Deponiefrage wirklich nichts mit der Fusion zu tun habe. Dort stutzte man und gab dem SVP-Mann zu verstehen, dass es durchaus sein könne, dass die Müllfrage von Relevanz sei. „Auf jeden Fall wurde mir vom Amt versprochen, dass man mir noch vor dem 15. Mai 2011, also der Fusionsabstimmung, Bescheid geben wird, ob man den Müll noch vor der Fusion entsorgen muss oder nicht“, so Meile.

„Ganze Ölfässer von Garagen“

Aber woher will Meile eigentlich wissen, dass der Müll, welcher südwestlich von Dreibrunnen vergraben ist, auch wirklich giftig ist? „Ich bin Jahrgang 1948. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich als Bub zwischen 1955 und 1965 oft hier gespielt habe. Von daher weiss ich, was damals von allen Leute, aber auch von Firmen, völlig unkontrolliert hier abgeladen wurde. Ganze Ölfässer von Garagen waren ebenso dabei wie auch alte Kühlschränke mit Ammoniak. Und sicherlich noch vieles andere mehr.“ Das Ganze passierte lange, bevor es den Zweckverband Abfallverwertung Bazenheid (ZAB) gab. Und damals galt, landauf, landab, in Sachen Müllentsorgung das unausgesprochene Motto „Nach uns die Sintflut“.

Quellfassung in der Nähe

Diese ist zwar, realistisch betrachtet, für Bronschhofen nicht zu befürchten, aber könnte der Müll vielleicht die Wasserversorgung gefährden? Der Verwaltungsratspräsident der Dorfkooperation Bronschhofen, Franz Geiger, verneint vehement: „Wir haben in diesem Bereich, aber auch sonst wo in unserer Gemeinde, noch nie Probleme mit dem Wasser gehabt.“ Doch das reicht dem kantonalen Amt für Umwelt und Energie nicht. „In der Nähe der ehemaligen Deponie hat es eine Quellfassung. Unser Amt wird im Frühjahr, wenn das Wetter besser ist, in diesem Bereich Baggerschlitze anbringen und die Qualität der Deponien überprüfen“, erklärt der beim Kanton für die Altlasten zuständige Kurt Alabor. Immerhin befinden sich die beiden betroffenen Deponien im Raum Dreibrunnen in der höchsten Kategorie: der Massnahmenklasse A.

Ganz klar eine politische Frage

Bezüglich der Resultate gibt es drei Szenarien: lautet das Resultat „keine Gefährdung“, so bleibt alles, wie es ist und der Kanton übernimmt, als Kostenverursacher – schliesslich hat er die Untersuchung dann angeordnet – die vollen Kosten. Bei den Szenarien „Überwachung“ und „Sanierung“ stellt sich jedoch die Kostenfrage anders. Grundsätzlich übernimmt der Bund aus einem extra dafür geschaffenen Fonds 40 Prozent der Kosten bei einem positiven Befund. Für die übrigen 60 Prozent wird ein Kostenteiler zwischen Verursacher und Landbesitzer gesucht werden müssen. Ersterer ist die Stadt Wil als damalige Betreiber der Deponien, zweiter die Katholische Kirchgemeinde Wil und diverse Landwirte, denen heute das Land gehört.

Für Kurt Alabor ist klar, dass in den allermeisten Fällen der Verursacher den Löwenanteil zu berappen hat. Doch ob dies dann auch wirklich die Stadt Wil sein wird, bezweifelt der Staatsdiener. „Eine solche Frage mussten wir in Zusammenhang mit einer Fusion noch nie beantworten. Und wie ich die politischen Prozesse kenne, wird es wohl auch zeitlich kaum reichen, um bis zur Fusion von Wil und Bronschhofen zu einer Einigung zu kommen, was wiederum bedeuten würde, dass dann halt doch die Bronschhofer im Sanierungsfall für den Müll mit bezahlen müssten, den die Wiler ihnen einst geliefert haben.“

Bronschhofen will abwarten

Trotz diesem wahrscheinlichen Szenario will Bronschhofen den „Schwarzen Peter“ noch nicht an Wil weiter geben. Zumindest vorerst. Wie René Bruderer, Leiter Bauen/Liegenschaften, am Dienstagvormittag telefonisch mitteilte, wolle man zuerst die kantonalen Untersuchungen abwarten, bevor man irgendwelche Schlussfolgerungen ziehe. Denn bevor die Ergebnisse des Amt für Umwelt und Energie nicht vorlägen, fehlten einfach die „Grundlagen für das weitere Vorgehen“, so Bruderer. Wie dies – im Falle eines Befundes „Sanierung“ jedoch aussehen könnte, konnte Bruderer immerhin schon sagen: „Dann würden wir als Standortgemeinde aktiv die Gespräche mit den Landbesitzern und den Verursachern angehen. Alles weitere wird man dann sehen.“

Und Wil spielt auf Zeit

Ähnlich defensiv tönt es aus dem Wiler Rathaus. Je nachdem, welche Erkenntnisse man aus den Abklärungen gewinnen werde, wolle man handeln, schreibt der Departementsekretär für Bau, Umwelt und Verkehr, Philipp Dörig in einer Antwort-Email vom Dienstagabend. Doch Dörig ahnt, dass die Abklärungen nicht zugunsten Wils ausfallen könnten, denn „unmittelbar in oder um Dreibrunnen sind fünf Standorte auf verschiedenen Grundstücken im kantonalen Verdachtsflächenkataster möglicherweise belasteter Areale eingetragen“. Zwar seien zum jetzigen Zeitpunkt Massnahmen „weder abschätz- noch konkretisier- oder bezifferbar“, doch ganz wohl scheint es Dörig dabei nicht zu sein, denn er räumt ein, dass es „wahrscheinlich“ sei, dass Wil bei einem Standort involviert sei, denn „gemäss den der Stadt Wil vorliegenden Akten wurde auf einer Parzelle einst Kehricht von Wil abgelagert.“ Das konkrete, weitere Vorgehen, sei jedoch Sache der Standortgemeinde Bronschhofen, welche die Koordination in Absprache mit dem Kantonalen Amt für Umwelt und Energie an die Hand nehmen müsse.

Doch der für viele Bronschhofer wohl wichtigste Satz, kommt ganz zum Schluss. Dörig schreibt – übrigens in Absprache mit dem Wiler Stadtrat Marcus Zunzer - zur Kostenübernahme im Voraus folgendes: „Bezüglich Finanzierung kann ich auf den ordentlichen Budgetweg verweisen. Das Stadtparlament hat sich vor einiger Zeit grundsätzlich gegen Vorfinanzierungen ausgesprochen.“ Und das klingt nun nicht gerade so, als wollte das offizielle Wil für seine „Müll-Sünden“ der Vergangenheit finanziell gerade stehen.

Ob dieses Verhalten jedoch dazu geeignet ist, das in jüngster Zeit ziemlich strapazierte Vertrauen zwischen dem Dorf Bronschhofen und der Stadt Wil hinsichtlich der Fusionsfrage wieder zu stärken, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Erschienen: 1. Februar 2011 www.mywil.ch

Link: www.mywil.ch/detail.php?item...