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Mit alten Sorten Neues wagen

Donnerstag, 28. Juli 2011

Das Weingut von Michael Broger liegt je zur Hälfte auf Weinfelder und auf Ottoberger Boden. Speziell ist sein Wein: Er ist ein wunderbares Versprechen – und lässt sich doch nicht genau einordnen.

CHRISTOF LAMPART

Ottoberg. Bei Michael Broger ist vieles anders. Vielleicht auch deshalb, weil der gebürtige Müllheimer nicht aus einer Winzerfamilie stammt. Als er 2002 das Haus am Schnellberg samt einer halben Hektare Rebland übernehmen konnte, ging für den gelernten Weintechnologen ein langgehegter Traum in Erfüllung.

Einen Traum, den Michael Broger seit bald zehn Jahren täglich lebt. «Ich habe hier meinen eigenen Kosmos», sagt er und zeigt mit der Hand auf den Hang hinter dem Haus, wo die 41jährigen Reben stehen, aus denen er seinen Spitzenwein, den Blauburgunder «Alte Rebe», gewinnt.

«Die sind genauso alt wie ich», strahlt Broger. Dass er die Reben nicht herausriss, wie ihm der vorherige Besitzer geraten hatte, da die Pflanzen zunehmend ertragsschwach geworden seien, bereut er nicht. «Diese Trauben haben Charakter, und ich kann mit ihnen ganz ausgezeichnet arbeiten.» Ginge es nach ihm, dann «arbeite ich mit den gleichen Reben noch 40 Jahre».

Bodenständig und innovativ

Mittlerweile hat Michael Broger zwei Hektaren hinzugepachtet. Mehr braucht der Weinbauer nicht. Er will die Arbeit zusammen mit seiner Partnerin Caroline, seinen Eltern und der einen oder anderen Aushilfe bestreiten können. Bei den Rebensorten ist er ein Traditionalist, wachsen doch auf seinen Hängen Müller-Thurgau und Blauburgunder. Auf sieben Reihen experimentiert er mit Riesling. «Ich will keine Moden mitmachen, sondern Weine produzieren, die etwas Besonderes sind und Charakter haben», betont Broger.

Gar nicht althergebracht ist die Art und Weise, wie er seine Trauben, seinen Wein gewinnt. 2004 fing er an, auf einzelnen Parzellen biologisch-dynamisch anzubauen; vor zwei Jahren hat er komplett umgestellt. Nicht weil ihm diese naturverbundene Bodenbearbeitung eine Art Ersatzreligion ist, sondern «weil ich schon immer danach gehandelt habe».

Ungeschwefelte Rotweine

Seinen Rotwein filtert Broger nicht, was manche Weinkenner zwar die Nase rümpfen, naturverbundene Gourmets jedoch aufhorchen lässt. Dennoch ist ihm klar, dass «viele einen trüben Wein noch nicht wollen». Da Brogers Wirklichkeit gewordene Idee aber immer mehr begeisterte Abnehmer findet, sieht er sich auf dem richtigen Weg. Auch experimentiert er seit einigen Jahren in kleinen Mengen mit komplett ungeschwefelten Weinen.

«Am Anfang hatten mir andere Experten gesagt, dass ich spätestens nach einem halben Jahr alles fortschütten könne. Nun habe ich aber schon ungeschwefelte Rotweine aus dem Jahr 2007, die sich gut gehalten haben», freut sich Broger. Wer so unkonventionell denkt und handelt, nimmt auch Rückschläge mehr oder weniger lakonisch hin, betrachtet das Weinglas dort als halbvoll, wo es andere als halbleer erachten.

Als Michael Broger 2009 hilflos zusehen musste, wie es ihm und anderen Berufskollegen einen grossen Teil der Ernte verhagelte, sei er zwar traurig gewesen, doch habe ihn dafür die Qualität des übrig gebliebenen 2009er versöhnt. «Dieser Wein war wirklich sehr gut», freut er sich heute fast wie ein Kind. Dabei käme es ihn im Grunde genommen schon darauf an, ob er 3000 oder 10 000 Flaschen im Jahr verkaufen kann.

Verzicht auf Hagelversicherung

Auch der Jahrgang 2010 hätte mengenmässig besser sein können, aber da auch hier die Qualität stimme, sei er nicht allzu traurig, sagt der Weinbauer aus Leidenschaft. Das Leben als Weinbauer sei halt nun einmal voller Unwägbarkeiten. «Das macht doch gewissermassen auch den Reiz aus. Mal stimmen alle Voraussetzungen, mal muss man viel Zeit und Energie investieren, um trotz allem den hohen, eigenen Qualitätsanspruch erfüllen zu können.»

Aus diesem Grund hat er auch keine Hagelversicherung. «Die benötige ich in 20 Jahren einmal; da stecke ich als kleiner Produzent das Geld lieber in die Infrastruktur, in den Maschinenpark oder in neue Reben», setzt Broger klare Prioritäten.

Link: www.broger-weinbau.ch