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Karbon macht den guten Ton

Montag, 15. Februar 2016

Die Nägeli Swiss AG ist Zulieferer von innovativen Faserverbundprodukten. Das Güttinger Unternehmen erweitert sukzessive seine Kompetenz im Instrumentenbau mit Karbon. Das neueste «Kind» im Sortiment ist ein Alder-Hackbrett. CHRISTOF LAMPART

GÜTTINGEN. Thomas Nägeli leitet die Nägeli Swiss AG zusammen mit seinem Bruder Christoph und seinem Sohn Niklaus, womit die zweite und die dritte Generation im Familienunternehmen gemeinsam am Werk sind. Dabei eint sie und ihre 25 Mitarbeiter ein Unternehmensziel: «Unsere Produkte müssen unseren Kunden einen echten Mehrwert bieten», sagt Nägeli.

Beim Hackbrettbau bedeutet dies, «dass wir mit Karbon eine höhere Steifigkeit erzielen und somit auch eine bedeutend bessere Stimmhaltigkeit haben», erklärt Nägeli. Vereinfacht gesagt: Karbon nimmt keine Feuchtigkeit aus der Umgebung auf und reagiert kaum auf Temperaturschwankungen. Holz hingegen verändert sich unter diesen Einflüssen, weshalb Holzinstrumente oft aufwendig nachgestimmt werden müssen. Bei korrekt gestimmten Karboninstrument entfällt dies nahezu.

Trompete, Saxophon, Posaune

Bereits 2010 kamen die Faserverbundpioniere vom Bodensee auf den Gedanken, Instrumente oder genauer gesagt Teile davon aus Karbon herzustellen. «Durch unsere 30jährige Erfahrung mit Faserverbundwerkstoffen haben wir uns ein grosses Prozesswissen angeeignet», bemerkt Thomas Nägeli. Dieses Wissen steckte man in die Fertigung einer Trompete unter dem Markennamen «daCarbo», von der das renommierte Klanginstitut in Wien begeistert war.

Die getesteten Prototypen zeigten eine identische Charakteristik und liessen sich leichter spielen als eine herkömmliche Trompete. «Der hochrote Kopf entfällt beim Blasen und zudem klingen vermehrt warme Obertöne mit. Ansonsten ist der Klang genau gleich wie bei einer normalen Trompete», sagt Nägeli. In der Zwischenzeit kamen Teile für Posaunen und Saxophon hinzu. Dass die Güttinger nicht gleich selbst ganze Instrumente herstellen, hat einen einfachen Grund: «Es werden nämlich nur diejenigen Partien eines Instruments in Karbon ausgestaltet, die dem Spieler klare Vorteile bringen. Alle anderen Teile werden belassen.» Daher arbeitet Nägeli auch sehr eng mit Instrumentenbauern zusammen, welche die Karbonteile in ihren Instrumenten verbauen oder diese als Zusatzteile am Markt anbieten.

So hat jede Entwicklung eines Karboninstrumentes seine eigene Geschichte wie beispielsweise beim Hackbrett. Der Kontakt zum bekannten Urnäscher Instrumentenbauer Werner Alder war rasch geknüpft, als Nägeli diesen im Sommer 2014 einmal bei einem Hackbrettkonzert in Degersheim traf. «Ich stellte fest, dass Werner Alder im Durchzug sass und sich deshalb sein Instrument verstimmte. Ich schlug ihm vor, das Instrument mit Hilfe von Karbon derart weiterzuentwickeln, damit es sich durch äussere Einflüsse kaum mehr verziehen kann», erinnert sich Nägeli.

Hackbrettkünstler Alder war sofort Feuer und Flamme, «denn ich hatte schon immer nach Möglichkeiten gesucht, um das Hackbrett weiterzuentwickeln», so Werner Alder, Mitglied der berühmten Streichmusik Alder Dynastie.

Geringeres Gewicht

Für Werner Alder gibt es gegenwärtig nichts Interessanteres als Karbon. Derweil er die Resonanzböden von der Nägeli Swiss AG bezieht und sowohl unten als auch oben auf dem Holzinstrument anpasst, fertigt Alder mittlerweile in Eigenproduktion auch Ruten aus Karbon. «Diese sind steifer als hölzerne und ergeben so einen direkteren Anschlag.» Selbst Traditionalisten, welche zunächst skeptisch waren, interessieren sich in der Zwischenzeit für diese Ruten. Für Werner Alder ist somit klar, «dass Traditionen zwar gut sind, aber Innovationen unsere Musik voranbringen». Und schliesslich wiegt ein Karbonhackbrett auch bis zu 1,5 Kilo weniger als das vergleichbare Instrument aus Holz, welches rund 6,8 Kilo auf die Waage bringt.

Für viele Frauen, Kinder und Senioren könnte dies durchaus auch ein Argument sein, um sich für ein Karbonhackbrett zu entscheiden. Allerdings hat das auch seinen Preis: Für eine mit Karbon versteifte Version muss man gut 2000 Fr. tiefer in die Tasche greifen. Doch egal, ob aus Holz oder Karbon: Wer ein Alder-Hackbrett sein Eigen nennen möchte, muss sich ein wenig gedulden, denn zum einen stellt er eine Vielfalt an Instrumenten her, die zudem auf Kundenbedürfnisse angepasst werden, und zum anderen liebt es Werner Alder auch, Vorträge über Hackbrettbau und Appenzeller Kultur zu halten.

«Ein genialer Werkstoff»

Nicht zu vergessen sind die Konzertauftritte, «welche auch einen Teil meiner Zeit beanspruchen», erklärt Alder. «Doch eines meiner Konzerte hat mich ja zum genialen Werkstoff Karbon geführt.»