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Erst kurz vorbei und doch schon alt

Donnerstag, 19. Mai 2011

Die Stadt Frauenfeld lud am Dienstagabend Interessierte ins Naturmuseum zum „Treffen“ mit der jüngeren städtischen Geschichte ein. Über 40 Personen kamen, um den Erinnerungen von vier alt gewordenen und doch dabei jung gebliebenen Frauenfeldern zu lauschen.

CHRISTOF LAMPART

Wie sah die Welt vor 50 Jahren aus? War sie wirklich das, was wir heute die „gute, alte Zeit“ nennen, wenn wir sie mit der Gegenwart vergleichen? Das war die Frage, welche Moderator Markus Keller dem Dachdecker Martin Beerli, dem Staatsanwalt Max Müller (beide Jahrgang 1925), dem Dienstmädchen Maria Frick (1921) und der Wirtsleute-Tochter Jolanda Derungs, (1916) stellte.

Strenger und doch gemütlich

Die Antworten darauf fielen  sehr verschieden aus. Während sich das „dumme und nicht einmal besonders geschickte“ (so Maria Frick über sich selbst) Dienstmädchen an die Schulzeit als „reiner Horror mit vielen Schlägen“ zurück erinnert, sah das beim Kantonsschüler Max Müller schon ganz anders aus. Allerdings erinnerten sich alle an die strenge Zeit der 30-er Jahre, als die Schuhfabrik schloss und die Männer vor dem Rathaus zum Stempeln anstanden. Dennoch sei früher sei einfach alles „gemütlicher“ gewesen. „Wir haben uns mit den Kollegen noch in der Beiz getroffen und miteinander gesungen“, erinnert sich Beerli ein wenig wehmütig. Auch war alles viel kleiner, intimer. „Als ich jung war, hatte Frauenfeld noch 9000 Einwohner und jeder kannte noch jeden“, so Derungs. Getroffen habe man sich beim Waschhäuschen auf dem Marktplatz und habe beim Wäsche ansetzen „immer die Neuigkeiten ausgetauscht“. Im Sommer wurden Stecken in den Boden gesteckt und hing die Wäsche  im Zentrum zum Trocknen auf.

Schmierseife inklusive

Wurde „privat“ gebadet, dann nur als Nachgang zur Wäsche. Und manchmal nicht mal das, weshalb man einmal alle 14 Tage von der Schule verordnet duschen musste – den Schmierseifenklecks gab’s gratis dazu. Sowieso konnten sich die Meisten damals nicht allzu viel leisten. Maria Frick erinnert sich an einen Chlausmärt, an dem sie einmal 10 Rappen für ein Glace ausgab. „Ich hatte im Sommer nie ein Glace gehabt und alle schwärmten davon. Und als ich gab das Geld im Winter ausgab, war ich bitter enttäuscht. Mich haben die 10 Rappen, die ich da ausgegeben habe, irgendwie mein ganzes Leben lang gereut.“ Kein Wunder bei einem Monatslohn von 15 Franken plus Kost und Logis. Einen Lohn, den sich Maria Frick hart verdienen musste. „Ich musste früh raus und die Kinder beruhigen, wenn sie mal aus irgendeinem Grund nicht in die Schule wollten. Meine Meisterin ist nie früh aufgestanden; sie brauchte ja dringend ihren Schönheitsschlaf.“

Einsteigehaus im grünen Wasser

Nicht so sparsam musste Max Müller durchs Leben, aber auch er hatte als Jus-Student für seine Auslagen beim Vater gerade zu stehen. „ich führte ein Milchbüchlein. Deshalb weiss ich noch, dass das billigste Essen in der Mensa  - Suppe mit Brot und Härdöpfelstock mit Ghackets - 90 Rappen kostete und ein Bier 30 Rappen.“ Schwer zu schleppen hatte Martin Beerli als Dachdecker. „An ein Auto war nicht zu denken. Wir waren schon froh, als wir ein Velo hatten und die Stangen damit transportieren konnten.“ In seiner Freizeit habe er gerne auf den Strassen Fussball gespielt und sei im Winter auf der Murg Schlittschuhgelaufen, schwelgte Beerli in Erinnerungen. Dass das Badi-Wasser, welches vom Murgkanal bezogen wurde, damals „ziemlich grün“ gewesen ist, störte niemanden. „Das war halt so“, so Max Müller lakonisch. Und Jolanda Derungs erinnert sich daran, dass es damals „noch ein Hüsli gab, in das die Frauen hinein und von dort in die Badi hineinsteigen konnten ohne von den anderen gesehen zu werden.“