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Ein „Hoch“ dem menschlichen Stillstand

Dienstag, 15. März 2011

„Festland“ – die jüngste Produktion des Theater Kanton Zürich vermag nur bedingt zu überzeugen. Doch das hat weniger mit der Produktion, denn mit dem Thema an und für sich zu tun: dem menschlichen Stillstand.

CHRISTOF LAMPART

„Ich fühle, also bin ich“ – so könnte der Gegensatz zu „Festland“ lauten. Einer dramatisierten Fassung des gleichnamigen Romans des gebürtigen Eschlikoner Schriftstellers Markus  Werner, welche letzte Woche im Winterthurer „Theater Kanton Zürich“ Premiere feierte und nach nun vier Vorstellungen an der Heimstätte des Theaters auf Gastspielreise gehen wird.

Erzeuger, nicht Liebhaber

Im Mittelpunkt dieses Stücks (Dramatisierung und Regie: Hannes Glarner)  steht die Beziehung zwischen Vater Kaspar Steinbach (Stefan Lahr) und dessen unehelichen Tochter Julia Stoll  (Vera Bommer), welche seit Jahren ein Nichtverhältnis zueinander pflegten. Sie hatten keinen Kontakt zueinander, weil die früh verstorbene Mutter und später es deren Eltern nicht wollten. Der Vater war als Erzeuger gedacht, nicht als Liebhaber, geschweige denn als Ehemann. Als Babysitter auf Abruf, okay. Das war er auch, als sie ihn anrief und bat, auf Julia aufzupassen. Nur dass sie dieses Mal nicht zurückkehrte, sondern den Freitod im Wald suchte. Diese konsequente Zurücksetzung  manifestiert sich beim Vater in persönlicher Abstumpfung, in Rückzug und Vereinsamung. Auch der stupide Beruf lässt dem Nicht-Akademiker keinen Entwicklungsspielraum. Da nimmt man nach Jahren also doch schon mal wieder den Kontakt zur Tochter auf, um sich selbst wieder einmal zu „spüren“.

Aktion Stillwerdung

Und tatsächlich: die zuerst von gegenseitigem Misstrauen  und depressiven Schüben geprägte „Annäherung“ kommt final einem „doppelten“ Befreiungsschlag gleich. Denn der Vater hat nun jemanden, der seinem Leben einen Sinn gibt. Und die Tochter erfährt nun endlich nicht nur, warum sie keiner längeren engen Beziehung fähig ist, sondern kriegt nun auch noch die Frage beantwortet, ob sie ein Kind der Liebe gewesen sei. Die Antwort des Vaters - „geplatztes Kondom“ – ist zwar ernüchternd, aber immerhin eine Antwort. Beide Protagonisten gewinnen also Gewissheit über ihr Leben, indem sie die persönliche Passivität (welche sich bei beiden in einen übertriebenen beruflichen Aktionismus äussert!) durch eine „Aktivität des Stillwerdens“  ersetzen und somit den persönlichen Stillstand überwinden.

Ganz viele Grautöne

Und dennoch bleibt nach diesem, vor allem in grauen und braunen Farbtönen inszenierten Drama (Bühnenbild: Nino Kündig) vor allem der Eindruck hängen, dass zwar viel geredet, dabei aber zu wenig gesagt wurde. Da ist es nur konsequent, dass es auch kein Happy-End im klassischen Sinne gibt. Gewiss: das Leben kann sehr schön sein. Doch davon verrät einem diese Geschichte nichts. Wer sich hingegen gerne mit einem befremdlichen Schluss auseinander setzt, für den könnte „Festland“ tatsächlich etwas sein. Das Stück ist ein Fest für all jene, denen der Alltag schon seit jeher ein wenig zu bunt ist.