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Die Tropen im Kühlhaus

Montag, 7. März 2011

In Frauenfeld ist die ganze Welt zu Hause – zumindest was Früchte, Gemüse und Pilze anbelangt. Denn von dort aus vertreibt die Giovanelli Fruchtimport AG in die ganze Schweiz über 120 Produkte – und von ihnen 3,2 Millionen Kisten jährlich.

CHRISTOF LAMPART

Es duftet hier wie in den Tropen – und ist zugleich ähnlich kühl wie an einem durchschnittlichen Thurgauer März-Morgen.  Das „hier“ ist eine der 28 Reifekammern  in der  4200 Quadratmeter grossen Logistikhalle in Erzenholz, am Firmensitz der Giovanelli Fruchtimport AG .  In ihr reift, bei Temperaturen zwischen 1 und 8 Grad Celsius, von der Ananas bis zum Zitronengrass einfach alles – bis auf Äpfel.  „Da gibt es im Thurgau genug Anbieter. Wir haben uns hingegen schon früh auf exotische Früchte spezialisiert“, schmunzelt Sergio Giovanelli, Leiter Qualitätssicherung, welcher zusammen mit seinem Bruder Romeo das Familienunternehmen in der nunmehr vierten Generation führt.

„Wir können immer liefern“

Wenn andernorts die Geschäfte erst öffnen, herrscht bei „Giovanelli“ schon lange Hochbetrieb. Doch eigentlich ist das immer der Fall, denn das Unternehmen hat an 365 Tagen rund um die Uhr geöffnet.  Beliefert werden fast ausschliesslich die Verteilzentren grosser Detailhandelsketten wie Migros, Coop, Manor oder Volg.  Einzig im Zürcher Gemüse Engros-Markt unterhält die Firma einen Stand, wo sich Private frisch mit Giovanelli-Früchten eindecken können.

Die Zahlen sind eindrücklich: 65000 Kundenbestellungen mit einem Gesamtvolumen von 3,2 Mio. Kisten à  4,5 Kilo verlassen jährlich die Laderampen der Firma. Ständig wird kommissioniert, die Früchte auf ihren Zuckergehalt, ihren Reifegrad geprüft, Faules aussortiert und dort auch schon mal ein Reifeprozess unterbrochen, wenn die Ware noch nicht abgesetzt werden kann. Denn  der Einkauf geschieht auf eigenes Risiko hin. Egal, ob es sich um Himbeeren aus Chile, Karambole aus Brasilien oder Morcheln aus Nepal handelt, das Geschäft mit der verderblichen Ware ist stets ein Vabanquespiel.  Eines, an das sich Sergio Giovanelli aber  längstens gewöhnt hat. Ja, mehr noch: er ist stolz darauf „dass wir immer liefern können“.

Innovatives Belüftungssystem

Diese ständige Verfügbarkeit der Ware ist sicherlich ein grosses Plus des Unternehmens. „Wir haben unsere Hersteller in über 70 Ländern und stehen mit ihnen in ständigem Kontakt“, erläutert Giovanelli.  Vieles wird per Schiff transportiert, Beeren jedoch immer eingeflogen. „Just in time“ lautet die Devise jedoch nicht nur bei der Beschaffung, sondern auch bei der Lieferung an die Kunden. „Wenn beispielsweise die Migros-Verteilzentrale in Gossau heute um 12 Uhr eine Bestellung aufgeben sollte, so hat sie die Ware zwischen 15 und 15.30 Uhr“, erklärt Sergio Giovanelli.

Wichtig in diesem Geschäftszweig, sei es stets, die Augen offen zu halten, Trends aufzuspüren und gute Qualität einzukaufen. Doch die Qualität nützt nur bedingt etwas, wenn die Lagerbedingungen nicht stimmen.  Deshalb betreibt „Giovanelli“ ein ausgeklügeltes Belüftungssystem, das nicht nur den Fein- und Grobstaub herausfiltert, sondern auch Keime.  „So weit geht in unserer Branche bis jetzt noch niemand, aber wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Die Früchte halten länger, wir produzieren weniger Abfall und wir können somit die Qualität der Früchte, Gemüse und Pilze noch besser steuern“, freut sich Sergio Giovanelli. 

Die Gegenwart ist glänzend – und die Zukunft soll noch besser sein. „Wir wollen wachsen, aber nicht zu jedem Preis“, so Sergio Giovanelli. Was auch bedeutet, dass mit seiner Firma keine Rabattschlacht zu machen ist. „Wir liefern nicht nur qualitativ hochstehende Waren, sondern bieten auch einen erstklassigen Service – und der kostet nun einmal“, erklärt Sergio Giovanelli bestimmt.

 

Interview

Als grüner Spargel noch exotisch war

Sergio Giovanelli  ist bei der „Giovanelli Fruchtimport AG“  für die Qualitätssicherung zuständig. In dieser Eigenschaft spürt er gerne neuen Trends nach – wie auch schon sein Vater. 

Herr Giovanelli,  welche Eigenschaft muss ein guter Früchtehändler haben?

„Er muss das, was er tut, lieben und von seinen Produkten überzeugt sein. Und zudem sich auch mal trauen, neue Wege einzuschlagen. Ich kann Ihnen ein Bespiel nennen: Mein Vater Bruno war in den 1970-er Jahren  der Erste, welcher aus Amerika den grünen Spargel einführte. Damals hiess es, dass sich dieser nicht verkaufen liesse – und heute kommt zur Spargelsaison niemand ohne ihn aus. Und bei uns ist der Spargel der Verkaufsschlager schlechthin.“

Ihre Firma ist bekannt dafür, dass sie allerlei exotische Früchte aus allen Herren Ländern anbietet. Wie sieht es bei Ihnen in Sachen „Früchte aus dem Thurgau“ aus?

„Wenn die Ware gut ist, dann nehmen wir selbstverständlich auch gerne Früchte und Gemüse aus unserem eigenen Kanton. Wir beziehen regelmässig Spargel, Erdbeeren, Walderdbeeren, Johannisbeeren, Himbeeren oder auch Brombeeren von hier.“

Gibt es unter den Früchten eine, die für Sie so eine Art Geheimtipp darstellt?

„Die Frage ist nicht ganz so einfach zu beantworten, denn nicht immer muss der eigene Geschmack auch dem der Kunden entsprechen. Ich denke, dass die Kalamansi, eine exotische Kreuzung aus Kumquats und Mandarine, das Zeug haben könnte, sich durchzusetzen. Aber grundsätzlich gilt, dass sich von zehn neuen,  von uns als interessant eingestuften Produkten sich im Schnitt schliesslich nur eines am Markt durchsetzen wird. „

Probieren Sie immer alle Produkte selber?

„Die meisten sicherlich, denn in diesem Geschäft sollte man schon neugierig sein.  aber ganz bestimmt nicht alle. Früher war das Probieren von exotischen Früchten übrigens noch mit viel Unkenntnis verbunden. Ich kann mich erinnern, dass, als mein Vater zum ersten Mal uns eine Avocado mitgebracht haben, wir diese gekocht haben. Das Zeugs war nachher ungeniessbar und wir haben es entsorgt.“

 

Führend in der Schweiz

Die Giovanelli Fruchtimport AG  hat sich in den 80 Jahren ihres Bestehens in der Schweiz als führender Importeur  von exotischen Früchten etabliert. Die Familienunternehmung beschäftigt in 70 Vollzeitstellen rund 100, oftmals langejährige, Angestellte.  Eine moderne Infrastruktur mit 28 verschieden ausgelegten Lagerräumen/Klimazonen schaffen optimale Bedingungen für jedes Produkt. 14 Andockstationen ermöglichen ein rasches Ent- und Beladen der Lastwagen und sicher somit die kontrollierte Klimakette. (art.)