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Der lange Weg zurück ins Leben

Dienstag, 1. April 2014

Jean-François Gächter wird als 23-Jähriger zusammengeschlagen. Er erleidet ein Schädel-Hirn-Trauma. Am Gesundheitsforum der Rehaklinik Zihlschlacht berichtet er über sein schweres Schicksal. CHRISTOF LAMPART

ZIHLSCHLACHT. Dem heute 34jährigen und überaus kreativen Jean-François Gächter ist Zihlschlacht nicht nur ein Begriff, sondern ein Ort, dem er viel zu verdanken hat – vielleicht sogar sein Leben. Zumindest das Leben, das er jetzt führen kann, verbrachte er hier doch viele Monate in der Reha und kehrte danach regelmässig im Zuge der ambulanten Therapie zurück.

Vorbehalte spürbar

So verwunderte es nicht, dass der junge Mann am Mittwochabend lieber vor gut 60 Zuhörern am Gesundheitsforum der Rehaklinik Zihlschlacht referierte, als zur gleichen Zeit bei Kurt Aeschbacher eine TV-Show aufzuzeichnen. «Hier», so Gächter, «habe ich wieder gehen und laufen gelernt. Ich habe hier meine ganze Kindheit und Pubertät noch einmal durchgemacht.» Und vor kurzem wollte er mit seiner Freundin sogar per Helikopter nach Zihlschlacht fliegen und dort landen. Das schlechte Wetter verhinderte dies – den Heiratsantrag nahm die junge Dame trotzdem an.

Dennoch ist nicht alles rosig im Leben Gächters. Denn obwohl er viele Talente als Zeichner, Werbegrafiker, Designer und Koch mitbringt – so entwarf er bereits Büroregale und Espressokapselhalterungen, machte Werbefilme für «Leggero» und einen Dokumentarfilm über den Sänger Seven –, fehlt es nach wie vor an Kunden und Arbeitgebern, die seinem Handicap gebührend Rechnung tragen. Denn Gächter arbeitet langsamer als ganz gesunde Menschen. Nicht schlechter, aber weniger ausdauernd.

Eine Anstellung, wo er vier bis fünf Stunden am Tag in seinem ihm eigenen Tempo arbeiten könnte, wäre ideal. Die Aufträge könnten gerne häufiger sein, das verhehlte Gächter nicht. Genauso wenig wie die Tatsache, dass ihm seine Zukunft ein wenig Angst macht. «Ich möchte gerne eine Familie gründen und mein Auskommen haben.»

Noch lange nicht zu Ende

Bereits vor Jahren hat Gächter, dessen Familie ihn sehr unterstützt, einen Antrag auf eine Teilinvaliditätsrente gestellt. Doch bis anhin hat er noch keinen positiven Entscheid erhalten. Dies auch, weil er ja stets Fortschritte bei der Genesung macht und somit die Reintegration in den ersten Arbeitsmarkt nie ausgeschlossen war und ist. Und gerade dieser ausstehende Entscheid führe wohl oft dazu – auch wenn niemand das offen sage –, dass sich statt Festanstellungen nur Praktika ergäben, mutmasste Gächter.

Vom Aufgeben ist die Kämpfernatur aber weit entfernt: «Ich habe es auf meinem Weg zurück, trotz vieler Hochs und Tiefs, weit geschafft. Doch dieser Weg ist noch lange nicht zu Ende.»

Positiver Nebeneffekt

Der Wille Gächters ist also vorhanden. Woran es, nicht nur in seinem Fall, jedoch fehlt, sind aufgeschlossene Arbeitgeber, die das Arbeitspensum für Leute mit Hirnverletzungen so anpassen, dass die Langsamkeit und die Probleme mit der Aufmerksamkeit nicht oder zumindest weniger ins Gewicht fallen.

Ausserdem – dies wurde auch während der anschliessenden Podiumsdiskussion deutlich – unterschätzen viele Unternehmen nach wie vor die Tatsache, dass die Eingliederung behinderter Menschen in die Firma nicht nur Kosten verursacht, sondern zugleich auch ein Gewinn sein kann. «Ein Betrieb, der sich für Benachteiligte einsetzt, kommt bei Mitarbeitern und Kunden wesentlich besser an», gab eine Veranstaltungsbesucherin zu bedenken.