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Das Unbekannte lässt sich nicht planen

Donnerstag, 17. März 2011

Im Rahmen des Börsenapéro der St. Galler Kantonalbank sprach am Mittwochabend der ehemalige SBB-Chef, Benedikt Weibel, im Wiler Stadtsaal zum Thema „Management des Unerwarteten“.

CHRISTOF LAMPART

Egal, ob im Jahr 2005 ein landesweiter Stromblackout für den Stillstand aller SBB-Züge sorgte oder eine Kette unglücklicher Ereignisse für die gegenwärtige Katastrophe in Japan – immer seien es nicht die normalen Ereignisse, welche die menschliche Belastbarkeit auf die Probe stellten, sondern das komplett Unerwartete, von dem man nicht denke, dass es je einmal Wirklichkeit werden würde.

Verkettung unglücklicher Ereignisse

Das „unbekannte Unbekannte“ könne man deswegen auch nicht im Voraus planen, sondern sich nur selber darauf vorbereiten. Wer unerwartete Krisensituationen meistern möchte, muss zuvor alle bekannte Risiken ausgeschaltet oder zumindest bedacht haben. Nur dann werde man auch mit dem komplett unerwartetem Ereignis fertig. Dass gegenwärtig alles in Japan aus dem Ruder zu laufen scheine, sei jedoch nicht auf menschliches Versagen zurück zu führen, sondern auf eine unglückselige Verkettung von vielen unwahrscheinlichen Umständen. Seebeben und Tsunamis seien für Japan nichts ungewöhnliches – wohl aber ein Beben der Stärke 9 auf der Richterskala. Doch selbst diese beiden Ereignisse hätten normalerweise nicht gereicht, um eine atomare Katastrophe herauf zu beschwören, wären nicht sämtliche nachgelagerte Sicherungssysteme in der Atomanlage Fukushima 1 ausgestiegen. „Da kam ein schlimmster Fall zum anderen hinzu – und noch wissen wir immer noch nicht wie es ausgeht“, so Weibel. Immerhin habe jedoch die perfekte Organisation dazu geführt, dass die Hunderttausende, die in Notunterkünften untergebracht sind, gut versorgt seien.

Und doch etwas vergessen

Auch in seiner Amtszeit als CEO der SBB habe er immer dem Unwahrscheinlichsten gerechnet, um nachher die normale Bedrohung gut zu meistern. So habe man dank minutiöser Planung, nach über 20 Jahren Realisationszeit, im 2004 problemlos die Umstellung aufs Projekt Bahn 2000 vollzogen. „Wir waren alle sehr stolz, dass dies ohne Zwischenfälle abging“. Eineinhalb Jahre später kam jedoch der Stromausfall auf dem ganzen SBB-Netz. „Als ich später die Risikoliste durchging, musste ich feststellen, dass wir bei der „Bahn 2000“ genau dieses unwahrscheinliche Ereignis nicht berücksichtigt hatten“, so Weibel. Das Schlüsselwort für ein erfolgreiches Krisenmanagement laute aus seiner Sicht „Antizipation“.  Richtige Notfälle könne man nicht üben, sondern müsse sie quasi aus dem Stand bewältigen.

„Wunsch“: Ein Telefon im Zug

Aber oft führe die Zeit auch einst ausgefeilt scheinende Strategien ad absurdum. „Als wir uns 1985 damit beschäftigten, was wohl im Jahr 2000 in einem Reisezugwagen gefragt sein werde, stand bei uns zuoberst auf der Liste: ein Telefon im Zug. Damals konnten wir ja noch nicht wissen, dass dann praktisch jeder Kindergärtner mit einem Handy raum laufen würde.“ Wichtig sei, dass man aus Entwicklungen lerne und das nunmehr bekannte Risiko in die Planungen einfliessen lasse. So sei im Jahr 1972 ein Attentat während den Olympischen Spielen in München „undenkbar“ gewesen – und doch geschah es. Heute gehört die Berücksichtigung von etwaigen terroristischen Akten zur fixen Planung einer jeden grossen, internationalen Sportveranstaltung. „Die Prävention ist sehr wichtig. Wenn diese in die Vorbereitung integriert wird, dann ist schon viel gewonnen, beim Versuch, eine Risikolandschaft festzulegen“, betonte Weibel.