Aktuell

<  zurück zur Übersicht

Das späte Bekenntnis zu Gott

Montag, 31. Oktober 2016

Die meisten Gläubigen werden ungefragt als Kleinkinder getauft. Ganz anders sieht es da bei Erwachsenen aus, die sich taufen lassen wollen. Da wird zumindest ein Gespräch mit dem Pfarrer vorausgesetzt. CHRISTOF LAMPART

 

FRAUENFELD. Eines gleich vorweg: Die Zahl der Erwachsenentaufen im Thurgau ist gering. Genaue Zahlen liegen weder bei den Reformierten noch bei den Katholiken vor. Der reformierte Kirchenratspräsident Wilfried Bührer geht bei 700 bis 800 jährlichen Taufen «von höchsten fünf bis zehn Prozent» aus. Für den Generalsekretär der Katholischen Kirche Thurgau, Urs Brosi, mutet selbst diese Zahl «sehr hoch» an. «Ich vermute, dass es sich bei uns auch im einstelligen Bereich bewegt – allerdings in absoluten Zahlen und nicht prozentual.» Die katholische Kirche verzeichnete im Jahr 2015 im Thurgau 612 Taufen und 33 Kircheneintritte.

Vor der Taufe ist ein Gespräch nötig

Obwohl es sich bei einer Erwachsenentaufe um einen freiwilligen und gut überlegten Entscheid eines Individuums handelt, bestehen sowohl die katholische als auch die reformierte Kirche auf ein Gespräch des Taufwilligen mit der örtlichen Geistlichkeit. «Klar ist die Motivation hoch, aber es schadet nicht, wenn sich Pfarrer und Täufling kennenlernen, falls sie es nicht eh schon tun», so Bührer. Denn oft handelt es sich bei dem zukünftigen Christen um eine Person, die «schon länger den Gottesdienst in der Gemeinde besucht hat und nun den Wunsch verspürt, den Schritt zu gehen», weiss Bührer. Absolut unkompliziert ist auch ein Wechsel der Konfession, denn die beiden Landeskirchen anerkennen gegenseitig die jeweilige Taufe der anderen an.

Sollte es sich beim Gespräch zwischen Pfarrer und Täufling herausstellen, dass Letzterer zwar absolut willens ist, jedoch vielleicht noch die eine oder anderes fundamentale Wissenslücke in Sachen Glauben hat, so empfehlen beide Landeskirchen eine Art «Glaubenskurs». «Für uns ist es schon wichtig, dass man als Katholik weiss, was man in der katholischen Kirche glaubt», so Urs Brosi. Allerdings will man bei der Wissensvermittlung darauf hinwirken, dass man die Glaubensvermittlung auch «individuell mit dem Pfarrer abmachen kann», so Brosi, der früher in Bern und in Therwil (BL) als Pfarrer tätig war.

Im Becken oder im Bodensee

In der Art, wie getauft werden kann, gibt es jedoch Unterschiede. Bei den Katholiken wird seit der Einführung der Kindestaufe das Sakrament nur noch am Taufstein vollzogen. Der Erwachsene kann entscheiden, ob er sich das Wasser übergiessen lassen oder den Kopf eintauchen möchte. Die Reformierten kennen noch eine dritte Art, nämlich jene, wie Johannes der Täufer einst Christus getauft hat: im Fluss oder im See. «Ich weiss, dass im Thurgau die eine oder andere Taufe in Gewässern stattfinden, ich selbst habe aber als Pfarrer noch nie eine solche durchgeführt», so Bührer.

Brosi erklärt, dass bei den Thurgauer Katholiken eine Taufe im Wasser «nicht der gelebten Praxis entspricht». Dies hat jedoch einen konkreten Grund. Denn für die Katholiken ist die Christenwerdung im Normalfall ein dreiteiliger Prozess, der mit der Taufe beginnt, mit der Firmung (Bekräftigung) ihre Fortsetzung findet und mit der Erstkommunion, die mit dem Erreichen des Vernunftalters zumeist am Weissen Sonntag zelebriert wird, abgeschlossen wird. Bei einer Erwachsenentaufe werden hingegen alle drei Schritte zugleich vollzogen – und dafür sei eine Kirche der richtige Rahmen. Brosi könnte es sich zwar durchaus vorstellen, dass man – wie es beispielsweise die Baptisten machten – jemanden in der Kirche in ein richtiges Becken steigen liesse, doch gebe es im Thurgau keines, womit sich die Sache von selbst erledige.

Vorsicht bei Umtaufe eines Moslems

Usus ist hingegen in beiden Landeskirchen, dass eine Taufe inmitten der Gemeinde während eines Gottesdienstes gefeiert wird. «Für uns sind Taufen, und natürlich auch Erwachsenentaufen, immer ein Geschenk, dass wir gerne mit allen Menschen teilen möchten», so Bührer. Allerdings könne er sich es durchaus vorstellen, davon abzuweichen. Dann nämlich, wenn es sich beispielsweise um einen islamischen Konvertiten handle, dem durch das Bekanntwerden seines Glaubenswechsels an Leib und Leben Gefahren drohen könnten. «Ich war vor kurzem in Weimar an einem Gottesdienst und habe dort miterlebt, wie ein erwachsener Syrer getauft wurde; das fand ich schon sehr mutig», gesteht Bührer. Auch Brosi würde in einem solchen Fall eine gewisse Vorsicht walten lassen. Doch real musste er sich bis anhin noch keine Gedanken darüber machen: «Mir ist nicht bekannt, dass wir jemals im Thurgau einen Moslem getauft hätten.»