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Biber oder Bauern? Das ist hier die Frage

Freitag, 15. Juli 2011

Führt die geplante zweite Etappe der Thurkorrektion zwischen Weinfelden und Bürglen zu einem Kulturlandverlust? Dieser Frage stellten sich am Mittwochabend Landwirtschafts- und Kantonsvertreter in Uesslingen.

CHRISTOF LAMPART

Das Wetter war wie dazu geschaffen, um die mögliche Unbill der Natur zu illustrieren. Dauerregen hatte die Thur bei der „Chinderbadi“ in Uesslingen zu einem trübbraunen Moloch anschwellen lassen. Überschwemmungen waren an diesem Abend aber nicht auszumachen – sehr zur Zufriedenheit von Marco Baumann, Leiter des Amtes für Wasserwirtschaft des Kantons Thurgau.  „Überschwemmt“ wurden die rund 40 Personen anschliessend von allerlei Informationen. Der Verband Thurgauer Landwirtschaft hatte von der Thurkorrektion betroffene Landwirte  in die Gutsbetriebs-Scheune von Markus Frei  nach Uesslingen eingeladen, wo Marco Baumann und der Geschäftsführer der „Schweizerischen Vereinigung Industrie und Landwirtschaft“ („SVIL“) ,Hans Bieri,  ihre gegensätzlichen Standpunkte vertraten.

Immer intensivere Niederschläge

Für Marco Baumann ist die Thurkorrektion zwischen Weinfelden und Bürglen ein Muss, denn „dadurch können wir zum einen den Hochwasserschutz gewährleisten und zum andere n etwas für die Natur tun.“ Den geplanten Massnahmen liegt als Grundlage eine Extremereignisannahme zugrunde – nichtsdestotrotz gibt es keine hundertprozentige Sicherheit. Träte nämlich ein sogenanntes Jahrhunderthochwasser in Weinfelden ein, so wäre das Dorf bis zu den Bahngleisen hin überschwemmt. Komme hinzu, dass die Niederschläge in den letzten Jahren aufgrund der Klimaerwärmung zwar nicht mehr geworden, jedoch immer häufiger heftiger geworden seien. „Die Intensität der Niederschläge hat ganz klar zugenommen“, so Baumann. So wurden beispielsweise beim Hochwasser 1999 in Andelfingen ein Durchfluss von 1‘130 m3/Sekunde gemessen – am Tag zuvor floss der Fluss mit 80 m3/Sekunde gemächlich dahin. Diese Urgewalt schade nicht nur dem Menschen und den Bauten, sondern auch dem Fluss selbst, denn „wenn der Fluss kanalisiert ist, wie in Weinfelden, dann gräbt sich der Fluss tiefer ins Bett hinein, was fürs Grundwasser nicht gut ist“, so Baumann.

„Kein Kulturland zu verschenken“

Doch damit sich die Thur  im Überschwemmungsfall ausbreiten und durch diese verminderte Wucht keine nennenswerten Schäden anrichten kann, muss bis anhin landwirtschaftliche genutztes Land, das heute unmittelbar an den Fluss angrenzt, überflutet werden. Und das stösst vielen Bauern sauer auf. Zumal, laut Hans Bieri, in Sachen Hochwasserschutz es auch „einfach höhere Dämme“ täten; die seien „günstiger und rauben uns kein Kulturland“. Denn für Bieri steht fest, dass die Schweiz, als eines der am dichtesten besiedelten Ländern der Welt, vor dem Hintergrund der potenziell möglich sein sollenden Eigenversorgung „kein Kulturland zu verschenken und schon gar nicht zu verschwenden hat“. Das sahen auch einige Landwirte so. Andere wiederum erklärten, dass sich die erste Thurkorrektions-Etappe zwischen Uesslingen und Niederneunforn -  im Nachhinein betrachtet -  gelohnt habe. Die sich dynamisch verändernden Auenwälder und Kiesbänke seien nicht nur ökologisch wertvoll, sondern der Fluss auch für die Menschen zum tollen Erholungsgebiet geworden. Nur etwas sei, – auch das betonten mehrere Redner – mühsam geworden: der Biber.  Dieser sei im renaturierten Gebiet mittlerweile so zahlreich vorhanden, dass er an vielen Orten die ufernahen Wege untergrabe und den Unterhalt der Flurstrassen somit massiv erschwere, klagten einige Landwirte.