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Auf der Suche nach dem guten Gang

Donnerstag, 9. Juni 2011

Egal, was, wie wann geübt wird – beim Musikverein Romanshorn wird im Hinblick auf das Eidgenössische nichts dem Zufall überlassen. Auch nicht bei der Marschmusik, bei der die Töne wichtig sind, die Haltung aber entscheiden kann.

CHRISTOF LAMPART

Es regnet, ist kalt und es nachtet bald ein – es gibt sicherlich bessere äussere Umstände, um sich zur gemeinsamen Musikprobe zu treffen. Doch Jammern hilft nix. Und das tut hier auch niemand, während – klack, klack, klack – in der halboffenen Garage des Romanshorner Einkaufszentrums  Hubzelg Autotüren zugeschlagen und Kofferräume geöffnet werden, um die Instrumente heraus zu holen.

Gerader Rücken, kleine Schritte

Ein Mädchen hat Geburtstag, ein anderes ist trotz Regen mit dem Velo gekommen, kein Wunder, setzt kurz Smalltalk ein. Bis Dirigent Roger Ender um Ruhe bittet und mit bestimmten Kommandos die weitere Regie über den Abend übernimmt. Das Euphonium vorne, die Posaunen hinten, der Rest füllt die Reihen auf. Dann schreitet Ender diese ab und erklärt, auf was es ankommt, was die Jury sehen will und was nicht. Manchmal legt er selbst Hand an, wenn jemand nicht sofort begreift.  „Die Schulter ein bisschen höher, den Rücken gerade“, kriegt ein Hornist erklärt. Und an alle zusammen: „Macht kleine Schritte. Platziert einen Schritt nach dem anderen.“

Multitasking für Musiker

Und sie geben sich spürbar alle grosse Mühe. Denn sie wissen, um was es für sie bald in St. Gallen gehen wird. „Wir wollen ja den bestmöglichen Eindruck hinterlassen“, scherzt eine Flötistin zu ihrer Kollegin, während der Dirigent ums Karree herumwirbelt und Anweisungen erteilt. Der Maestro scheint die Bemerkung gehört zu haben und nickt energisch. Gerade so, als wollte er sagen: „So eine Einstellung lob ich mir.“ Doch vor der Perfektion und einer maximalen Punktausbeute haben die Götter den Schweiss und der Dirigent die Marschprobe angesetzt. „Den Blick geradeaus, doch achtet zugleich auf eure Nebenleute, behaltet sie im Auge, damit auch der Abstand stimmt“, bekommen die Musiker den Auftrag zum Multitasking erteilt. Doch niemand ärgert sich über so viel Penibilität. Denn schliesslich gilt es in St. Gallen das erklärte interne Ziel, einen Platz im ersten Drittel der ersten Stärkeklasse, zu erreichen. „Doch, ich bin zuversichtlich, dass das klappen wird, denn die Proben verliefen bis jetzt gut. Und auch das Marschieren scheint immer besser zu klappen“, zeigt Ender zwischen zwei Kehren zufrieden.

Durch die Wand?

Nach 30 Schritten fängt die Musik an, nach 130 wird abrupt angehalten, denn dann ist die Garagenwand erreicht und geradeaus an kein Weiterkommen zu denken. Die Musik spielt trotzdem unverdrossen weiter den Hans-Rohrer-Marsch. Ob sie es deshalb tut, weil das Stück aus der Feder des Dirigenten stammt? „Nein“, lacht Ender, „das sicher nicht; die hören einfach erst auf, wenn ich es sage“.  Bei so viel Disziplin und Durchhaltevermögen muss es einfach mit eine Platz im ersten Drittel klappen. Und einen Moment lang strahlt die Blasmusik sogar eine fast etwas unheimliche Entschlossenheit aus. Wäre sie in diesem Moment weiter und durch die Wand gelaufen, so hätte doch wohl niemanden verwundert.