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Auch ohne kantonale Wirtschaftsförderung innovativ

Mittwoch, 20. Juli 2011

Aus Altem Neues schaffen – diesen Grundgedanken des Recyclings setzt seit Januar die Biorender AG aus Münchwilen vorbildlich um. Produziert doch die Geschäftsidee der Gebrüder Hunziker aus Fleischabfällen CO2 neutrales Biogas.

CHRISTOF LAMPART

Der Betrieb läuft auf Hochtouren. Und er läuft bestens. 41‘000  MW/h Biogas kann „Biorender“ jährlich produzieren – vorausgesetzt, sie kriegt genügend Rohmaterial von den regionalen Schlachthöfen und Tierhaltungsbetrieben geliefert. Gewiss: Bioabfälle verarbeiten inzwischen viele Biogasanlagen doch die „Biorender“-Idee, aus stark proteinhaltigen Abfällen Biogas zu generieren, ist so speziell, dass zurzeit von überall Technologieinteressierte und Medienschaffende anreisen, um sich die Idee erklären zu lassen.

Kontrollierte Gärung

Die „Biorender“-Technologie unterscheidet sich gegenüber konventionellen Biogasanlagen dadurch, dass der Gärprozess in der Fermentern  mit einem Volumen von je 1‘200 m3 unter kontrollierten Bedingungen abläuft. Dabei muss insbesondere der Ammoniakgehalt zum Schutz der Biologie – den Methanbakterien – kontinuierlich überwacht werden. Diese Anforderung wird hauptsächlich durch einen geschlossenen Wasserkreislauf und dessen Behandlung in den Prozessen der Ultrafiltration und der Ammoniak-Strippung mit katalytischer Entstickung sichergestellt. Am besten geeignet sind flüssige Reststoffe, die mittels Pumpen in die Fermenter eingebracht werden können. Zur Hygienisierung und Zerkleinerung der Rohware werden  alle angelieferten Waren drucksterilisiert. Es können auch Tierkadaver, feste Stoffe, Speisereste oder organische Abfälle mit Verpackungsmaterial angenommen werden. Doch so überzeugend die Technologie heute auf einen auch wirkt – am Anfang dieser Geschäftsidee stand die reine wirtschaftliche Not.

Knackpunkt Rinderwahnsinn

In diese schlitterte die „Hunziker Food Recycling AG, die seit den 1960-er Jahre am Dorfrand von Münchwilen tierische Restabfälle zu Flüssigfutter  für Schweine verarbeitet hatte, unverschuldet, als im 2001 der Rinderwahnsinn aufkam. „Auf einmal wurde uns, aus verständlichen Gründen, von einem Tag auf den anderen verboten, Rinderabfälle weiter zu Flüssigfutter zu verarbeiten. Das bedeutete für uns, dass wir auf einmal ein Drittel weniger Ware hatten, da uns nur noch die Geflügel- und Schweinefleischabfälle blieben“, erinnert sich Jacques Hunziker, welcher Mitglied der „Biorender“-Geschäftsleitung ist.  Aus diesem Grund wurden alte Überlegungen, aus der Vergärung von Fleischabfällen Energie zu gewinnen, wieder konkret angeschaut. Attraktiv sei dieser Gedanke zwar schon immer gewesen, aber zugleich hätten die dafür notwendigen, millionenschweren Investitionen die finanziellen Möglichkeiten bei weitem überstiegen, erklärte Jacques Hunziker.

Schwierige Partnersuche

Da Not nun aber einmal bekanntlich erfinderisch macht, gingen die Gebrüder Hunziker, im 2003 nichtsdestotrotz konkret die Planung an. Mit einem 1000-Liter-Versuchstank wurden, erste erfolgsversprechende Resultate erzielt, welche ermunternd genug waren, um die Idee weiter zu verfolgen und konkret auf Investorensuche zu gehen. Und diese entpuppte sich als -  jahrelanger Albtraum. „Viele Firmen wollten mit uns eigentlich zusammenarbeiten, aber die Kantone lieferten ihre Abfälle lieber an die Tiermehlfabrik nach Bazenheid, da sie dort Anteilseigner sind. Und die Banken und Stromproduzenten zeigten sich zwar am Projekt interessiert, wollten aber von uns die Garantie, dass wir stets genügend Fleischabfälle bekämen“, erinnert sich Hunziker an die schwierige Zeit, in der es schier unmöglich schien, die Quadratur des Kreises zu durchbrechen.

Die Trendwende kam, als die diversen Stadtwerken (unter anderem St. Gallen, Winterthur, Wil und Schaffhausen) gehörende „Erdgas Ostschweiz“ im 2009 auf der Suche nach einem Biogaslieferanten auf die Hunziker AG stiess und einen Grossteil des heutigen Aktienkapitals von 12,2 Mio. Franken in „Biorender“ einschoss, während die „Hunziker Food Recycling AG“  sich mit ihrer Idee neu in die „Biorender AG“ einbrachte. Scheinbar – wie der Geschäftsverlauf es zeigt - zum Nutzen aller. Da kann man nur sagen: Schwein gehabt!

 

Interview:

„Sehr gut für Länder wie Vietnam“

Herr Hunziker, ihre „Biorender“-Idee  scheint an vielen Orten Anklang zu finden. Sind Sie jetzt ein reicher Mann?“

Jacques Hunziker: „Nein, das bin ich sicherlich nicht. Aber es stimmt schon, dass sich unsere Entwicklung auch sehr gut für Länder wie Vietnam oder die Türkei eigenen würde, welche über eine unregelmässige Stromversorgung, demensprechend hohe Energiekosten und zugleich viele Fleischabfälle verfügen.“

Dann haben Sie also ein weltweites Patent auf ihre Idee?

„Nein, das haben wir nicht. Wir haben zwar eine Patentierung geprüft, doch wäre das uns viel zu teuer gekommen. Wir sind jedoch durchaus bereit unser Wissen  - gegen eine entsprechende Bezahlung selbstverständlich – weiter zu geben.“

Sie haben also keine Angst, dass man Ihnen Ihre Idee klaut?

„Ausschliessen kann man so etwas nicht. Aber die Idee ist nicht nur neu, sondern es braucht auch ein Spezialwissen, um das so umsetzen zu können, wie wir es tun. Und da Zeit im Energiegeschäft Geld ist, werden wohl nicht viele Unternehmen viel Geld in die eigene Forschung investieren wollen, wenn sie es billigen haben können.“