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Auch Heesters ist nun im Schloss Frauenfeld

Donnerstag, 27. Januar 2011

Früher fand man in Historischen Museen vor allem sehr alte Dinge. Das ist auch heute noch der Fall. Aber bei Neuerwerbungen spielt das Alter nur eine untergeordnete Rolle. Das Topkriterium ist vielmehr die Seltenheit – auch beim Historischen Museum des Kanton Thurgau.

CHRISTOF LAMPART

Museumsdirektoren lieben es, über „ihre“ Ausstellungsgegenstände zu reden. Vor allem, wenn es sich um Neuerwerbungen handelt. Und so verwunderte es niemanden gross, dass der Konservator des Historischen Museums Thurgau, René Schiffmann, die 30 Minuten Redezeit locker überschritt, als er am Donnerstagmittag im Rahmen des „Museumshäppchen“ über „Neuerwerbungen seit 2009“ sprach. Wer jedoch meinte, Schiffmann werde über prächtige Reliquienschreine, wertvolle Barockgemälde oder zumindest farbenfrohe Folianten sprechen, sah sich getäuscht. „Die Idee, dass alles, was in einem Historischen Museum ausgestellt sein soll, alt sein muss, gilt heute schon lange nicht mehr“, erklärt Schiffmann den 13 Zuhörerinnen und Zuhörern im vor Waffen starrenden Gewölbekeller des Frauenfelder Schlosses.

Eine Geschichte ist wichtig

Vielmehr suche man heute in einem Objekt das „Besondere, das eine Geschichte erzählt“. So sei ein prächtiges Silberbesteck ohne bekannten Ursprung oder zumindest Besitzer das Museum „keinen Blick wert.“ Hingegen würde sich das Museum wohl in grosse Unkosten stürzen, brächte man ihm nachweislich das hölzerne Essgeschirr eines Thurgauer Bauern aus dem 15. Jahrhunderts sowie den Namen oder der Wohnort des Bauern. „So etwas haben wir nicht, ja, wir haben nicht mal die Kenntnis davon, dass es so etwas gibt“, erläutert Schiffmann seufzend und – beginnt die Kiste mitgebrachte Kiste auszupacken.

Was zum Vorschein kommt, wirkt auf den ersten Blick ein wenig befremdlich und nicht eines Museums würdig. Eine komplett erhaltene, also ungeöffnete „Gaba“-Bonbon-Schachtel, drei unversehrte „Wehrkalender“ aus den 1940-er-Jahren oder eine Gliederpuppe aus Eisen, wie sie eine Amriswiler Firma in den 1920-er-Jahren herstellte. „Wir kaufen Sachen, welche wir entweder noch nicht haben oder die einen wichtigen Bezug zum Thurgau herstellen“, so der Konservator. So zum Beispiel die wie ein x-beliebiges Gewehr aussehende Flinte, die Schiffmann herum zeigt. Ein auf den ersten Blick absolut unscheinbares Ding, dessen Lauf aus Frankreich und das Gewehrschloss aus Österreich stammt. Und dennoch ist dieses „Patchwork“-Gewehr eine Rarität: „Das gehört zu jenen ersten Ordonnanzwaffen, welche der Thurgau im 1803 hatte“j, .

Schätze aus Papier

Auch wenn sie nicht wirklich spektakulär wirken – selten sind sie allemal: nämlich unversehrte Plakate aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. „Es ist ein absoluter Glücksfall, wenn wir so etwas finden“, erklärt Schiffmann und hält ein Plakat einer Amriswiler Reitveranstaltung in die Höhe.“ Wenn wir solche Sachen wirklich suchten, dann würden wir wohl nichts finden. Gott sei Dank werden viele solcher Schätze an uns heran getragen. Ein Ufa-Film-Kalender aus dem Jahr 1938 ist ebenfalls unter Schätzen. Das erste Kalenderblatt zeigt eine junge Dame in den Armen von Johannes Heesters (*1903) liegen. Schiffmann stutzt: „Lebt denn der Heesters überhaupt noch?“ „Ja“, antworten mehrere Damen wie aus einem Mund. Was wiederum ein Beweis für die These ist, dass „Geschichte“ höchst lebendig sein kann.