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Dem Rhein entlang

Montag, 7. März 2011

Seit jeher schwärmen Dichter vom Rhein, der durch halb Europa und acht Kantone fliesst. Dem Rhein entlang verläuft der Kulturweg ViaRhenana, ein idealer Wanderweg auch für Familien.

CHRISTOF LAMPART

Wasser war und ist - in Form von Flüssen - über tausende von Jahren hinweg, ein Kulturbringer gewesen.  Man denke nur an die Ströme Nil, Euphrat und Tigris – welche alle in der zivilisatorischen Entwicklung der Menschheit eine grosse Rolle gespielt haben.  Anfangs dienten die Ströme den Menschen sozusagen als GPS, denn im unübersichtlichen Urwald waren Fliessgewässer für unsere Vorfahren oft die einzige sichere Orientierungshilfe. Aber auch als Nahrungsquelle eigneten sich die Flüsse selbstredend, was wiederum dazu führte, dass viele Menschen an Flüssen siedelten.

„Autobahnen der Steinzeit“

Doch erst durch die Schiffbarkeit der Flüsse konnten längere Distanzen ohne grössere Mühe zurück gelegt werden. Der Schweizer Archäologe Urs Leuzinger, fasste die Entwicklung einmal im Satz „Die Flüsse waren die Autobahnen der Steinzeit“ zusammen. Und gerade diese Schnellverbindung führte – auch im Falle des Rheins – dazu, dass die Wasser- sich zur Handelsstrasse entwickelte. „Genau genommen gäbe es Schaffhausen nicht, wenn es nicht den Rheinfall gäbe, denn vor dem Rheinfall mussten die Lastkähne anlanden, ihre Sachen ausladen und dann weiter unten wieder weiter einladen“, erläutert Leuzinger.

Diese dominante Stellung im Transportwesen hatte der 1233 Kilometer lange und auf 883 Kilometer schiffbare Rhein inne, bis im 19. Jahrhunderts die Eisenbahn ihren Siegeszug antrat. Die ViaRhenana hat es also sozusagen schon immer gegeben – doch dem kollektiven Bewusstsein der Bevölkerung schien sie über die Jahrhunderte hinweg abhanden gekommen zu sein. Schon Victor Hugo (1802 bis 1885) schrieb einst: „Der Rhein ist der Fluss, von dem alle Welt redet und den niemand studiert, den alle Welt besucht und niemand kennt.“

Doch das soll sich nun ändern.

Denn mit dem Kulturweg ViaRhenana welcher heute in Kreuzlingen beginnt, und demnächst übers Rheintal bis ins graubündische Reichenau ausgebaut werden soll, ist eine attraktive Wanderstrecke entstanden, die vom Thurgauer Seerhein über Stein am Rhein und Schaffhausen und dem Hochrhein zwischen Eglisau und Rheinfelden entlang bis nach Basel führt. Auf der ViaRhenana erhalten Wanderer also Gelegenheit, eine tausende von Jahren alte „Strasse“ neu zu entdecken.

Ein „Thurgauer“ namens Napoleon

Von Kreuzlingen am  Bodensee aus führt die Wanderung dem Seerhein entlang über die typische, sanfte Kulturlandschaft des Seerückens – von wo man einen exquisiten Ausblick über den Untersee und die Insel Reichenau (UNESCO-Welterbe) hat. Empfehlenswert ist ein Besuch des Schlosses Arenenberg samt Napoleonmuseum. Die ViaRhenana ist in diesem Bereich in einer Region zu Hause, die vor allem für Familien, die Abwechslung suchen, viel beitet. Ein umfangreiches touristisches Angebot, ein dichtes ÖV-Netz (welches auch erlaubt, einen Teil der Wanderung per Schiff zurück zu legen) und gut ausgebaute Velowege bieten auf diesem Abschnitt sozusagen für jeden das Passende. .

Im pittoresken Stein am Rhein lädt der prächtige Rathausplatz zur Rast  in einem der vielen Cafés ein. Paradiesisch auch die Umgebung: die kleinen Flussauen unterhalb von Wagenhausen und bei Rheinklingen, das Steilufer des Rheins bei Obergailingen (D), der Schaarenwald und die Riedlandschaft der Schaarenwies. In  Schaffhausen wartet dessen Wahrzeichen, der Wehrturm „Munot“, darauf,  erklommen zu werden.  Regnet es, so bietet sich ein Aufenthalt im „Museum zu Allerheiligen“ an. Das in der Altstadt von Schaffhausen gelegene Museum vereinigt Archäologie, Geschichte, Kunst und Naturkunde unter einem Dach. Und schliesslich ist da auch noch die klare Nummer eins in Sachen Besucher: der mächtige Rheinfall bei Neuhausen, dessen Besuch für alle ein Muss ist.

Mit Schwung durch Wälder

Vom Schlösschen Wörth aus geht’s nach Rheinau.  Dort lohnt sich der Besuch der  Stiftskirche, welche zu den bedeutendsten barocken Sakralbauten in der Schweiz zählt.

Nicht verpassen sollten man in Rheinau  auch die 1806 vollendete Holzbrücke, die in der seltenen Pfahljochbauweise erbaut wurde. Dem „Wurzelweg“ – einem Trampelpfad – entlang wandert man nach Eglisau weiter. Das imposante Hochufer des Rheins, die schönen Föhrenwälder bis nach Ellikon lassen einen dabei so richtig in Schwung kommen!

 

Zwar ist der Verkehrslärm zwischen Kaiserstuhl und Mellikon zeitweise gross, aber dafür erstreckt sich zwischen Lienheim (D) und Mellikon eine idyllische Auenlandschaft.  Ein Höhepunkt auf dem Weg nach Bad Zurzach ist Kaiserstuhl mit seiner über 750-jährigen Geschichte, nur gerade 400 Einwohnern, aber dafür sehr viel historischer Bausubstanz. Weiter geht’s entlang dem Rheinufer. Nur zwischen Schwaderloh und Rheinsulz, wo die Autostrasse am Ufer liegt, verläuft der Weg durch die bewaldeten Nordhänge des Tafeljuras. Reizvoll ist die Passage bei der Aare-Mündung, wo der Weg die historische Eisenbahnbrücke benutzt. Weitere „Highlights“ sind der römische Wachtturm „Summa Rapida“ über dem Koblenzer Laufen und  die Auenlandschaft des Klingnauer Aare-Stausees - einem Wasser- und Zugvogelreservat von internationalem Ruf, wo Regenpfeiffer, Enten und Möwen überwintern.

Bequem, kurz und ohne wesentliche Steigungen ist die Strecke zwischen Laufenburg und dem südbadischen Bad Säckingen (D). Nicht auslassen sollte man in Bad Säckingen einen Besuch des Fridolinmünsters und der mit rund 200 Metern längsten gedeckten Holzbrücke Europas.

Ein gefährliches Loch

Nach Rheinfelden verläuft der Wanderweg durch die Uferwälder des Rheins, der hier durch die mächtigen Endmoränenwälle der Möhliner Höhe an den Fuss der Vorberge des Schwarzwalds abgedrängt wird. Im ältesten Zähringerstädtchen der Schweiz bietet der Rhein eine „gruslige“ Stelle an: das St.-Anna-Loch, bei der Alten Rheinbrücke. Hier fällt der ansonsten rund drei Meter tiefe Rhein plötzlich auf 32 Meter ab. Starke Strudel und Strömungen unterhalb der Wasseroberfläche machen nicht nur das Schwimmen zur lebensgefährlichen Angelegenheit; auch zahlreiche Schiffe sind hier schon gekentert!

Auf der letzten Etappe nach Basel wird‘s zum einen antik (Römerstadt Augusta Raurica), zum anderen industriell (Chemiewerk Schweizerhalle, Schweizer Rheinsalinen), wobei letzteres zunimmt, je mehr man sich Basel nähert. Dort heisst es dann Abschied nehmen von Rhein. Und das kann man auch wirklich tun. Denn das Rheinknie bildet den offiziellen Übergang vom Hochrhein in den Oberrhein.  Der Rhein zieht weiter nach Norden, wir bleiben zurück – durch viele, schöne Wandererlebnisse bereichert.