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Wer spricht, integriert sich leicht

Mittwoch, 24. April 2013

REGION. Jasmin Passerini wohnt schon immer hier. Ihre Vorfahren aber mussten hier erst ihren Platz finden. Wie sich die Italiener im Kanton St. Gallen integrierten, untersuchte die junge Frau in ihrer Maturaarbeit.

CHRISTOF LAMPART

Aufs Thema stiess die 19jährige Gossauerin, welche die Kantonsschule Wil besucht, durch ihren Grossvaters, der einst der Arbeit willen über die Alpen zog. Der auch dann blieb, als genug Geld vorhanden war, um im Süden ein Haus zu bauen. Der sich assimilierte, weil er wollte – wie viele vor und nach ihm.

Die Sprache ist der Schlüssel

Für Jasmin Passerini steht deshalb fest: «Die Geschichte der Italiener im Kanton St. Gallen ist eine Erfolgsgeschichte.» Diese sei gelungen, weil die Italiener den Anschluss an die Schweizer Gesellschaft gesucht und schnell die Sprache erlernt hätten. «Das Beherrschen der Sprache stellt für mich noch heute das A und O dar, wenn eine Integration gelingen soll», sagt Passerini.

Zwei markante Anstiege

Die Einwanderungskurve von Italienern in den Kanton St. Gallen stieg zweimal markant an: ab 1888 und um 1941. Das erste Mal kamen sie, weil in der Schweiz ein grosses Arbeitsangebot vorhanden war und in Italien hohe Arbeitslosigkeit herrschte. Der zweite Anstieg kam mit dem Zweiten Weltkrieg und hielt bis zur «Schwarzenbach»-Initiative an. Jener nach dem Zürcher NA-Nationalrat James Schwarzenbach benannten Initiative, die den Ausländeranteil auf zehn Prozent der Wohnbevölkerung limitieren wollte. Diese wurde am 7. Juni 1970 mit 54 Prozent Nein- zu 46 Prozent Ja-Stimmen abgelehnt. Viele Italiener liessen sich in der Stadt St. Gallen nieder. Aber auch Gossau und Walenstadt waren aufgrund der Industrie – Textil, Zement, Kalk – sehr beliebt.

Ein Abkommen zwischen der Schweiz und Italien von 1868 trug das Seinige dazu bei, dass Italiener, die in der Schweiz Arbeit hatten, kaum Einreisebeschränkungen unterlagen.

«Italienische» Wiler Altstadt

Dies hatte zur Folge, dass es immer mehr an günstigen Wohnungen mangelte. In Wil kam es im Jahr 1960 zum Wohnungsnotstand. Dabei waren insbesondere die günstigen Altstadtwohnungen über die Jahre hinweg von italienischen Familien regelrecht in Beschlag genommen worden.

Jasmin Passerini schreibt: «In einer 4-Zimmer-Wohnung lebten acht bis zwölf Personen. Die Wohnungen waren ganz klar zu klein und überbewohnt.» Erst ab 1963 wurden um Wil herum vermehrt neue Wohnungen gebaut. Doch waren diese teurer als die Altstadtwohnungen, so dass vor allem junge Schweizer diese mieteten. Dass die Wiler Altstadt damals noch jahrelang fest in «italienischer Hand» blieb, lag auch an der gelebten Solidarität. «Wenn eine Wohnung einmal in der Hand einer italienischen Familie war, wurde diese immer wieder an eine italienische Familie vermacht», schreibt Jasmin Passerini. Die Lage normalisierte sich erst, als die Zahl der preiswerten Wohnungen ausserhalb des Zentrums nachhaltig zugenommen hatte.