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Wenn nur das reale Handeln zählt

Dienstag, 20. November 2012

Mit „Jenseits von Gut und Böse“ feierte am Samstag im Winterthurer Kellertheater eine sehr amüsante und gelungene Umsetzung eines ewig-aktuellen Themas Premiere. Es ging um die Frage, wer oder was das Böse überhaupt ist.

CHRISTOF LAMPART

Das Stück basiert auf dem gleichnamigen Roman von Michael Schmidt-Salomon und dem absolut sehenswerten dänischen Kinofilm „Adams Äpfel“. Die Idee und das Konzept zu diesem einstündigen Werk stammt vom Trio, das auch ansonsten an diesem Abend für Betrieb im Saal sorgte. Denn Armin Kopp und Philippe Nauer standen auf der Bühne, Dirk Vittinghof führte Regie.

Der gute Nazi

Die heimlichen Stars sind jedoch andere. Denn Kopp (Pfarrer Gunther) und Nauer (Neonazi Björn)  verkörpern nicht nur überzeugend die  Hauptrollen, sondern verleihen auch den Puppen – dem Alkoholiker Wolfgang (Kopp), dem Kleinkriminellen Hashmet (Nauer) eine Stimme. Wie so vieles im Leben ist auch in der Resozialisierungsstation, die Gunther betreibt, vieles anders, wenn man nur an der Oberfläche kratzt. Der raue Nazi nimmt es mit der Realität genauer als Gutmensch Gunther, der sich die trübe Wahrheit laufend so zu recht biegt, damit er mit ihr leben kann. Auch die anderen Existenzen sind – oft mehrfach – gescheitert. Dass ausgerechnet ein Nazi, der zu Beginn das Bild des Führers aufhängt, einen Oberlippenbart trägt und ansonsten beharrlich-bedrohlich vor sich hin schweigt, zur treibenden, positiven Kraft des Stücks wird, verblüfft allerdings nur auf den ersten Blick.

Verschobene Grenzen

Denn wo die „Bösen“ und „Guten“ tatsächlich sitzen wird dem Publikum wiederholt in langen Videos, die aus irgendwelchen alten Kinofilmen und Wochenschauen zusammengeschnipselt sind, vor die Augen geführt. Dass der Papst bei den „Bösen“ auftaucht und George W. Bush bei den „Guten“, sorgt zwar für Lacher im Publikum, überrascht jedoch irgendwie niemanden gross. Denn nachdem im Stück alle Protagonisten auf irgendeine Art und Weise eine kaum vorhersehbare Metamorphose durchmachen, scheinen auf einmal auch die Grenzen zwischen „Gut“ und „Böse“ eben „jenseits“ der gängigen, klischeehaften Vorstellungen zu liegen. Was gilt, ist keine Gesinnung oder Dazugehören zu einer irgendwelchen Klasse, Kaste oder Kategorie, sondern einzig und alleine das reale Handeln des Individuums. 

Das Publikum – das Kellertheater war bis auf den letzten Platz gefüllt – reagierte begeistert auf die Darbietung, welche einem viel Stoff zum Lachen und zum Nachdenken bot, und spendete den Mimen einen ebenso langen wie verdienten Applaus.