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Viele Rentner, wenig Erwerbstätige

Donnerstag, 21. Mai 2015

Wie sorge ich vor, damit ich mir im Alter keine Sorgen machen muss? Diese Frage wurde an einem prominent besetzten Podium diskutiert. Die Lösungsvorschläge reichen von einem flexiblen Rentenalter bis zur Erhöhung der Mehrwertsteuer. CHRISTOF LAMPART

WEINFELDEN. «Die demographische Entwicklung in der Schweiz ist schlecht: kamen 1948 6,5 Erwerbstätige auf einen Rentner, so wird das Verhältnis im Jahr 2035 nur noch zwei zu eins sein.» Das sind die Worte von Hans-Jakob Stahel, Leiter Firmenkunden bei Swiss Life. Der Versicherer und die Industrie- und Handelskammer Thurgau hatten am Dienstag in den Weinfelder «Thurgauerhof» eingeladen. Vor 50 Gästen diskutierte Stahel mit Ständerat Roland Eberle (SVP), Nationalrat Christian Lohr (CVP) und IHK-Thurgau-Präsident Christian Neuweiler die Frage, was getan werden muss, um das noch funktionierende Rentensystem zu erhalten. Moderiert wurde das Gespräch von TZ-Redaktor Mario Testa.

Die Lage verschärft sich

Das Problem mit der privaten, beziehungsweise staatlichen Altersvorsorge sei, dass viele Menschen, die sich langsam anbahnende Krisensituation noch zu wenig als eine solche erkennen würden, denn «momentan funktionieren die Renten», sagte Stahel weiter. «Und das Jahr 2030 ist noch weit weg.» Neben der schlechten demographischen Entwicklung könne man auch durch die anhaltende Tiefzinsphase «keine grossen Erträge ohne grosse Risiken mehr erwarten». Und bei der Zuwanderung, welche die Sozialwerke in den letzten Jahren gestärkt habe, herrschten nicht mehr die gleichen Aussichten. «Unternimmt man jetzt nichts, so fehlen 2030 jährlich 8,5 Milliarden Franken in der AHV.»

IHK-Präsident Neuweiler verdeutlichte, dass die Wirtschaft gewillt sei, dazu beizutragen, dass die Kluft zwischen Arbeitenden und Rentnern nicht weiter wachse. «Als Unternehmer könnte ich es mir gut vorstellen, Arbeitsplätze für die Generation 65plus anzubieten. Und auch am Punkt Teilzeitarbeit müssen wir noch arbeiten.»

Knackpunkt Mehrwertsteuer

Sowohl Christian Lohr als auch Roland Eberle sprachen sich dafür aus, dass man bei Reformen auf den Erhalt des Status quo fokussieren sollte. Eine Kürzung der Renten, auch wenn eine solche die Situation der AHV massiv verbessern würde, sei jedoch politisch ein Tabu. Eberle betonte, dass eine Reform nur nachhaltig sein könne, wenn man «ein grosses Paket als Ganzes durchbringt und nicht jeden einzelnen Punkt verhandelt und dabei alles verwässert.» Als substanzielle Massnahmen schlug er vor, die Mehrwertsteuer bis ins Jahr 2035 schrittweise anzuheben, maximal um 1,5 Prozentpunkte. Zudem soll das Rentenalter 65 für Frauen eingeführt werden. Ein flexibles Rentenalter zwischen 62 und 70 Jahren könnte ebenso zu einer Besserung beitragen wie auch die Senkung des Umwandlungssatzes für die zweite Säule von 6,8 auf 6 Prozent. Lohr sagte, dass man über die Erhöhung der Mehrwertsteuer reden könne. Am Ende müsse die Zahl der Erhöhung aber «immer noch mit einer Null beginnen.» Dass die Solidarität zwischen den Generationen leiden könnte, hält Lohr zwar für unwahrscheinlich, doch nicht ausgeschlossen: «Wir müssen schauen, dass wir bei der Finanzierung keinen Keil zwischen Jung und Alt treiben.»