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«Viele Ostschweizer Firmen packen an»

Montag, 19. November 2012

Der Wirtschaft in der Region wird es aller Voraussicht nach auch im 2013 gut gehen. «Wir jammern auf hohem Niveau; vor allem wenn wir unsere Probleme mit jenen des Auslands vergleichen», erklärt Arbeitgeberpräsident Dieter Schenk.

Herr Schenk, wie bewerten Sie – generell – das Wirtschaftsjahr 2012 für die Region Wil?

Dieter Schenk: Ich denke, dass es bis anhin ein gutes Jahr war. Und das, obwohl es das internationale Umfeld für uns nicht einfacher macht. Wir dürfen uns jedoch nicht als «Insel» in Europa sehen. Es sind Veränderungen im Gang, die über kurz oder lang auch uns massiv betreffen werden.

Die hiesige Wirtschaft leidet also nicht unter dem starken Franken?

Schenk: Selbstverständlich hätten wir lieber einen Wechselkurs von 1.40 oder 1.50 Franken; was wir ja alles schon hatten. Doch die Situation ist so, wie sie ist. Immerhin erlaubt die von der Nationalbank verteidigte Grenze von 1.20 Franken uns eine gewissen Planungssicherheit. Ausserdem sind viele Firmen in der Ostschweiz echte Macher, welche im Falle einer Krise nicht jammern, sondern die Ärmel hochkrempeln. Das alles stimmt mich doch leicht zuversichtlich.

Sie selber arbeiten mit Ihren Fertighäusern in der Baubranche. Wie schätzen Sie die Entwicklung in diesem Bereich ein?

Schenk: Der Bauboom wird sicherlich weiter anhalten, denn die Zinsen sind extrem tief. Ob es zu einer Überhitzung auf dem Immobilienmarkt ausserhalb von Zentren wie Zürich oder Genf kommen wird, kann ich nicht sagen. Jedoch sehe ich die Tatsache kritisch, dass viele Leute auf ihre Pensionskassengelder zurückgreifen, um Wohneigentum zu erwerben. Denn was machen diese Leute im Alter, wenn das Ersparte nicht mehr für das Leben reicht? Dann muss der Staat einspringen – und das finde ich nicht gut.

In Europa ist zurzeit die Jugendarbeitslosigkeit ein zentrales Problem. Wie sieht es bei uns denn aus? Haben unsere Jungen eine Chance auf den Einstieg in die Berufswelt, wenn wir alle länger arbeiten müssen, um die Sozialwerke zu sichern?

Schenk: Ich denke, dass sich unser duales Bildungssystem ganz massiv von dem vieler anderer Länder in Europa unterscheidet. Wir bilden hier Praktiker mit guten Theoriekenntnissen aus, viele andere Länder jedoch Theoretiker mit relativ wenig Praxis. Ich denke, dass Länder wie beispielsweise Spanien, welche eine Jugendarbeitslosigkeit von über 41 Prozent haben, einen Systemwechsel vollziehen müssen, damit ihre Jugend wieder eine Perspektive hat.

Apropos «Perspektive»: Nach Fukushima hat der Bundesrat den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Viele Unternehmungen sehen sich somit in der nahen Zukunft mit steigenden Energiepreisen konfrontiert. Macht Ihnen das hinsichtlich der Leistungsfähigkeit unserer Unternehmen Sorgen?

Schenk: Wir haben in Sachen Atomkraft alle umgedacht. Heute finden alle einen Ausstieg prinzipiell gut. Die Frage ist nur: Wie handhabt man ihn, ohne dass die Wirtschaft darunter leidet? Was wir brauchen, sind nicht einfach politische Ideen, sondern Lösungen, welche die Politik zusammen im Dialog mit den Unternehmungen erarbeitet. Dann bin ich sicher, dass wir auch eine gute Lösung finden werden. Doch wir stehen da am Anfang; es gibt noch viel zu tun.

Vorausgesetzt, Sie wären «König von Wil» und hätten somit die alleinige Entscheidungsgewalt: Welche Infrastrukturprojekte würden Sie unverzüglich angehen?

Schenk: Wil ist geographisch gut gelegen, liegt es doch nahe der Autobahn und hat auch ein gut ausgebautes ÖV-Netz. Dennoch müssen wir aufpassen, dass Wil nicht auf einmal den Anschluss verpasst, während sich die Agglomerationen um St. Gallen, Frauenfeld oder Zürich hervorragend entwickeln.

Ich wünschte mir deshalb noch die eine oder andere zusätzliche Strasse durch Wil hindurch, damit der Verkehr wieder besser fliessen kann.

Interview: Christof Lampart