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Verdichtetes Bauen vor 57. Jahrhunderten

Montag, 8. Februar 2016

Der Verein «ArchaeoTourism» hat es sich zum Ziel gesetzt das archäologische Erbe der Schweiz im öffentlichen Bewusstsein aufzuwerten, weshalb er regelmässig einen «Fundort des Monats» ausruft. Im Februar ist es nun Pfyn. Und so sprach der Archäologe Urs Leuzinger am Freitag in Pfyn unter anderem über die hiesigen Pfahlbauerfunde. CHRISTOF LAMPART

PFYN. Urs Leuzinger berichtete in der vollen Pfyner Trotte über das historische Pfyn, die dort gemachten Entdeckungen und geriet ins Schwärmen. Denn egal ob als namenlose Pfahlbauersiedlung im Jahr 3708 vor Christus oder als spätantikes Römerkastell Ad Fines – der Ort sei, archäologisch gesehen, ein «absoluter Hot Spot», so Leuzinger.

Zu «Urschweizern» gemacht

Den Grossteil seines Referates widmete Leuzinger der Pfyner Pfahlbauerzeit. Dabei verwies er ausführlich auf die Bedeutung der Pfahlbauerkultur für die Schweiz. Die Pfahlbauer seien für den jungen Bundesstaat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die idealen «Urschweizer» gewesen, da sie über jede Konfession erhaben, durch ihre Bauweise wehrhaft und zudem fast in der ganzen Schweiz gewesen wären.  Mehr noch: viele sahen in dieser sonderbaren Siedlungsform den Beleg für den «Sonderfall Schweiz», der sich somit praktisch bis zu den Ursprüngen der modernen Zivilisation zurückverfolgen liess. Kein Wunder also, dass die Pfahlbauer-Begeisterung weit über den engen Kreis der Fachleute hinausragte und das Bild von Dörfern auf Seeplattformen und Holzpfählen eine breite Öffentlichkeit faszinierte. Dies sei, so Leuzinger, so weit gegangen, dass die Landesregierung Schweiz an der Weltausstellung 1867 in Paris nebst allerlei Textilien auch ein Gemälde des Malers Auguste Bachelin aufhängen liess, das ein Pfahlbauerdorf aus der Bronzezeit zeigte.

Ein Baum in vielen Häusern 

Dann erzählte Leuzinger, wie der damalige Kantonsarchäologe Karl Keller-Tarnutzer inmitten des Zweiten Weltkrieges zusammen mit internierten Polen die Ausgrabungen in Pfyn-Breitenloo begann. Die Polen hätten nicht nur gut, sondern auch sehr genau gearbeitet. «Als wir aufgrund einer Zonenplan-Revision und anhand von alten Plänen 2002 mit unseren eignen Grabungen begannen, konnten wir feststellen, dass die damals angefertigten Pläne bis auf zehn Zentimeter mit unseren heutigen Messungen übereinstimmten». Als interessant entpuppte sich die Untersuchungen. So fand man heraus, dass zwischen 3708 bis 3703 vor Christus in den verschiedensten Häusern des Dorfes Spältlinge vom ein und demselben Baum verwendet wurden. Die Siedlung habe aus 30 bis 40 Häusern mit 200 bis 300 Bewohnern bestanden. «Man suchte hier also die Nähe und baute sehr eng – obwohl in der unmittelbaren Nähe genug Platz vorhanden gewesen wäre, um grosszügiger zu bauen». Warum dem so war, wisse man jedoch bis heute nicht.

Scherben ja, Schwerter nein

Auch ging Leuzinger kurz auf Pfyns Geschichte als römisches Kastell ein. 295 n. Christus prägten heftige Krisen (Flüchtlinge, Kriege und Inflation) das Zeitgeschehen. Um das Reich entlang der «nassen Grenze» (Rhein-Bodensee-Iller-Donau) zu befrieden, habe man direkt daran, bzw. dahinter einige Kastelle gebaut – darunter auch «Ad Fines». Interessant sei, dass man zwar in Pfyn «kistenweise» Dinge des Alltags gefunden habe, kaum aber Waffenreste, obwohl diese in einem Kastell eigentlich vorhanden gewesen sein müssten.