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Turnen wie ein Schweizer Uhrwerk

Dienstag, 26. April 2011

Mitte Juli findet in Lausanne die Gymnaestrada statt – die Weltfestspiele des Weltgymnastikverbandes. Dabei ist der „Schweizer Abend“ am 11. Juli einer der Höhepunkte. Mit dabei sind auch Ring-Turner aus Wil, Wattwil und Wald. Das Programm ist noch geheim – dennoch war wir an einem Training dabei.

CHRISTOF LAMPART

Es ist Sonntag und draussen herrscht schönstes Frühlingswetter. Doch das kümmert die 65 Turnerinnen und Turner, welche zu diesem Zeitpunkt in der Turnhalle Lindenhof in Wil versammelt haben, herzlich wenig. Denn sie verfolgen alle seit gut zwei Jahren zielstrebig ein Ziel und dieses ist nun zum Greifen nahe:  nämlich das Ziel, die Schweiz würdig an der Gymnaestrada in Lausanne zu vertreten. Und das soll an einer riesigen Ringanlage geschehen.

Durchs „Casting“ gestählt

Sechs „Rahmen“ mit zwölf Ringen sind der Länge nach aufgebaut und mit einem eigens dafür entworfenen Halterungssystem aneinander und auf dem Boden fixiert worden. „Wir könnten diese Anlage somit überall aufstellen, solange es sich um  einen normalen Hallenboden handelt“, erklärt Matthias Sprecher dem Journalisten auf der Tribüne. Von dort oben hat man einen hervorragenden Überblick. Matthias Sprecher ist der Hauptleiter von „Swissrings2“ und als begeisterter Ringturner selbst mit von der Partie. „Ich turne schon seit 20 Jahren an den Ringen; für mich gibt es nichts Schöneres“, so der 30-jährige aus Wald AR. Ähnlich dürften die übrigen 64 Kolleginnen und Kollegen denken, denn sie alle sind die Besten der Besten und haben sich über ein Vorturnen für die Aufgabe qualifizieren müssen. Die „Swissrings2“ setzen sich je zu Hälfte aus Mitgliedern der „Kantonalen Gerätegruppe Zürich“ und aus der Ostschweizer Formation „WWW & Friends“ zusammen, wobei ersteres nicht für World Wide Web, sondern für Wald, Wil und Wattwil steht.

Eiserne Disziplin ist gefordert

„Wir haben riesig den Plausch, aber es braucht schon einiges, bis alles so funktioniert, wie man es sich vorstellt“, erzählt Sprecher. Zum Beispiel Disziplin. Und diese ist nicht nur bei den Turnübungen, sondern auch beim Abbau des Gerüsts von Nöten. Drei Minuten haben sie maximal, bis die nächste Nummer am Schweizer Abend los gehen wird. Ein erster Probelauf misslingt. „Wir haben 3 Minuten 40 gebraucht, aber bei 2 Minuten und 45 Sekunden müsste alles weg sein“, wird den schwitzenden Athleten erklärt. Also noch einmal von vorne. Und noch einmal. Und noch einmal. „Das alles muss einfach wie am Schnürchen klappen“, weiss Sprecher. Selbst das Hinlegen des gigantischen Gestells muss geübt sein. Denn senkt eine Gruppe zu abrupt ihr Teil ab, könnte es schon sein, dass sich das Gestell verbiegt. Und das darf, das kann nicht sein. Ein jeder Einzelne hat hier seine Aufgabe, seine fixen Handgriffe. Und bei jedem Umgang geht jeder noch ein wenig Professioneller zu Werke. „Es wird noch zu viel geschwätzt“, erklärt Sprecher. Dabei hatte der Journalist wenige Minuten zuvor, für sich, das weitestgehend stumme und effiziente Abräumen der Turner-Truppe bewundert. So unterschiedlich können individuellen Anforderungen und Wahrnehmungen auf diesem Niveau sein. Was für den Laien ein Höchstmass an Effizient zu sein scheint, qualifiziert der Drillmeister schlicht als „engagiert, aber trotzdem noch zu wenig.“

Alles muss synchron sein

Dann, nach eineinhalb Stunden (!) des Gerüsteauf- und –abbaus ist es endlich so weit: die Turnerinnen und Turnen dürfen an die Ringe. Geturnt wird ein „noch nie dagewesenes Schaukelringprogramm, dass das Wesen einer Schweizer Uhr“ charakterisieren soll. Ehrlich gesagt, ist davon an diesem Nachmittag für das Laienauge noch nicht viel zu erkennen. Vieles wird markiert, nicht ausgeturnt –doch ist ersichtlich, dass auf Details wie der Synchronisation der  Schwünge penibel geachtet wird. „Das muss auf die Zehntelsekunde stimmen“, ruft ein Leiter und der Turner nickt. Schöne, anspruchsvolle Turnerwelt.