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Tierschützer gegen Tierschützer

Dienstag, 7. März 2017

BRUDERKRIEG ⋅ Erwin Kessler und der Verein gegen Tierfabriken klagten wieder einmal. Diesmal aber nicht gegen Tierquäler, sondern gegen andere Tierschützer. Diese hätten Kessler einen Rassisten und Antisemiten genannt.

Christof Lampart
Als erste gerichtliche Instanz hatte sich am Donnerstag das Bezirksgericht Münchwilen mit dem Verfahren zu befassen. Zu beurteilen war die Frage: Wurden VgT-Präsident Erwin Kessler und der Verein gegen Tierfabriken (VgT) in ihren persönlichen Verhältnissen verletzt oder nicht? Die Tierrechtsorganisation «Tier im Fokus» (TIF) soll behauptet haben, Erwin Kessler und der VgT würden sich antisemitisch und rassistisch äussern. Erwin Kessler sei wegen mehrfacher Rassendiskriminierung verurteilt und «wegen Ehrverletzung an einem Journalisten, der die Medienwelt nach jüdischem Geschmack manipulieren wolle, schuldig gesprochen» worden.

Das wollten Erwin Kessler und der VgT nicht auf sich sitzen lassen und klagten gegen TIF. Sie verlangen unter Strafandrohung von der Beklagten, die Vorwürfe künftig zu unterlassen. Zudem solle das Urteilsdispositiv innert zehn Tagen nach Eintritt der Rechtskraft für die Dauer von sechs Monaten «an oberster Stelle» auf der Webseite und der Facebook-Seite der Beklagten publiziert werden müssen. Das Gericht kam am Donnerstag noch zu keinem Schluss; das Urteil wird später gefällt und schriftlich bekannt gegeben.

Der 72-jährige Tierschützer Erwin Kessler aus Tuttwil erschien zwar mit einer Gruppe Sympathisanten und VgT-Mitgliedern vor Gericht, jedoch ohne Anwalt – aus Kostengründen. Das Plädoyer wurde von der VgT-Vizepräsidentin gehalten. Diese führte aus, die beiden nun prozessierenden Tierrechtsorganisationen VgT (Klägerin) und «Tier im Fokus» (TIF, Beklagte) hätten vor noch nicht allzu langer Zeit freundschaftlich zusammengearbeitet – und zwar über Jahre hinweg. Dass sich der Verein TIF nun aber seit geraumer Zeit über den provokanten Stil und die Arbeitsweise des VgT aufrege, verwundere, sei dies doch dem TIF über Jahre hinweg bekannt gewesen. Warum TIF gegen den VgT und Kessler eine «Hetzkampagne» gestartet habe, sei ihnen deshalb «bis heute noch nicht klar». Man habe vorgerichtlich das Gespräch mit der Beklagten gesucht und «gutgläubig» eine Lösung ohne Gerichtsweg angestrebt. Dieses Vorhaben sei aber «torpediert und schamlos missbraucht» worden. Die Kläger verlangten die volle Umsetzung ihres Anliegens, denn «eine teilweise Abweisung der Klage würde [...] die Kampagne anheizen und neue Klagen nötig machen».

Der TIF-Anwalt erwiderte, dass die Einstellung der Zusammenarbeit «wegen ganz unterschiedlicher Ansichten zur Frage, wie weit man Menschen angreifen und verletzen darf, um für Tierrechte einzustehen», geschehen sei. Es sei der für TIF «notwendige Respekt gegenüber sämtlichen Lebewesen», der Kessler und dem VgT fehle.

«Eine eigentliche Strafaktion»
Konkret werfen die Kläger dem Beklagten vor, Kessler in diversen (Sozialen) Medien wiederholt einen «Antisemiten» und «Rassisten» genannt zu haben. Dies treffe jedoch in keiner Weise zu. Vielmehr sei dies eine perfide Verleumdungskampagne, die einzig und alleine darauf abziele, Kessler und dem VgT zu schaden. Deshalb nun die Klage gegen TIF.

Dem widersprach der TIF-Anwalt. Die Verleumdungskampagne sei klar erfunden. Der Verein TIF habe von sich aus eine «ruhige Distanzierung» gewünscht. Jedoch agiere der VgT nach dem Motto, dass jeder ein Feind sei, der ihn nicht ausdrücklich unterstütze. Gemäss dieser schwarz-weissen Denkart sei nun der Verein TIF «als Gegner auf dem Radar». Und solche bekämpfe der VgT, indem er diese angreife, durch den Dreck ziehe und dabei bewusst in Kauf nehme, dass die sogenannten «Täter» litten. Für den TIF-Anwalt ist klar: «Das vorliegende Gerichtsverfahren ist eine eigentliche Strafaktion». Dass er zweimal wegen Rassismus verurteilt worden sei, habe Kessler in einem Interview mit dem St. Galler Tagblatt im Jahr 2014 selbst eingeräumt. Und die Meinung, dass die von Kessler und dem VgT geäusserten Holocaust-Vergleiche – sie beinhalteten die Gleichsetzung von Batteriehühnern mit Opfern des deutschen KZ-Regimes – rassistisch und antisemitisch seien, sei «vertretbar und zulässig».

Am Ende der Verhandlungen richtete Erwin Kessler noch einmal das Wort an die Anwesenden: «Wir sind nicht einfach gegen Menschen, wir sind gegen Tierquälerei. Und ich bin so erstaunt, dass sich eine Tierrechtsorganisation, die sich radikal nennt, Verständnis für Tierquäler hat.» Auch die Gegenpartei blieb eine Antwort an den VgT nicht schuldig: «Wie viel Respekt Sie gegenüber Mitmenschen haben wollen, das müssen schlussendlich Sie wissen. Aber Sie müssen auch wissen, dass, wenn Sie es an Respekt gegenüber anderen mangeln lassen, Sie auch dafür kritisiert werden müssen.»