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Thurgauer KMU integrieren Jugendliche

Dienstag, 24. September 2013

Es gibt sehr viele gut integrierte Jugendliche – für mediale Schlagzeilen sorgen hingegen immer die negativen Beispiele. Aus diesem Grund befasste sich das gestrige Thurgauer Berufsbildungsforum mit der Frage, was es für eine gelungene Integration braucht.

CHRISTOF LAMPART

WEINFELDEN. In seinen Begrüssungsworten hielt der Präsident des Thurgauer Gewerbeverbandes, Hansjörg Brunner, sachlich fest, dass der Einfluss der Ausländer in der Schweiz ständig zunehme. Weshalb es sich nicht nur lohne, sondern sogar sehr wichtig sei, dass sich die Berufsbildung mit der Frage beschäftige, wie diese Menschen aus fremden Kulturen gut in Beruf und Gesellschaft integriert werden könnten.

«Rund 35 Prozent aller Schweizer haben einen Migrationshintergrund, und bald wird es jeder zweite sein. Wir können es uns nicht leisten, all diesen Leuten mit Vorurteilen zu begegnen. Der Umgang mit fremden Kulturen ist nicht immer einfach, aber er öffnet Horizonte. Offenheit und Neugier sind wichtig für eine gute Zukunft», so Brunner. Denn davon hänge unser ganzer Wohlstand ab: «Ohne beruflich qualifizierte Ausländer können wir unseren Wohlstand, unsere Sozialwerke in der Zukunft nicht halten.»

Herkunft ist wichtig

Vor rund 160 Personen hielt Verena Tobler Linder, Ethnologin, Dozentin und Beraterin für interkulturelle Integration, Zürich, ein Impulsreferat zum Thema «Umgang mit fremden Kulturen in der Berufsbildung». Sie erklärte, dass es für sie wesentlich sei, woher die Lernenden kämen. Denn während es zum Beispiel mit Tamilen und generell Asiaten wenig Probleme gäbe, sei das bei Menschen aus den Ländern, welche sie plakativ «Ehre- und Schandeländer» (Maghreb, Balkan, Naher Osten, Pakistan und Afghanistan) nannte, grundsätzlich oft anders. Denn diese Länder seien schon unter sich nicht geeint, weder politisch, noch sozial-gesellschaftlich. So sei ein Ägypter in Kairo geschäftsmässig geprägt und westlich auf Dienstleistungen getrimmt, während ein Ägypter vom Land sein Leben nicht in erster Linie auf Karriere und Bildung ausrichte, sondern auf traditionelle Werte wie Familie und Religion. «Wenn nun solche Menschen in die Schweiz kommen und hier ihre Werte leben wollen, dann sind Probleme vorprogrammiert», so Tobler Linder. Letztere seien jedoch im Thurgau weniger ausgeprägt als beispielsweise im Kanton Zürich. Denn hier auf dem Land schauten sich die Betriebe noch ganz genau an, wen sie ausbildeten. Im Vorfeld ihres Referates führte Tobler Linder mehrere Gespräche mit Ausbildungschefs und Lehrmeistern thurgauischer KMU.

Schweizerische Kernkultur

Dabei machte sie erfreuliche Feststellungen. «Im Thurgau ist es nicht wichtig, woher jemand kommt und wie er aussieht oder was er für eine Religion hat. Wichtig ist, dass er die Werte der schweizerischen Kernkultur lebt.» Unter Kernkultur sind nicht Trachtentragen, Frisuren oder Kopftücher zu verstehen, sondern gelebte Tugenden wie Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, ausserfamiliäre Höflichkeit und Sauberkeit. «Ohne diese Tugenden kann kein KMU funktionieren. Und KMU sind der wichtigste wirtschaftliche Faktor in unserem Land, denn sie schaffen nicht nur Arbeitsplätze, sondern integrieren auch die Jugendlichen aus fremden Kulturen in unserer Arbeitswelt.»

Darüber hinaus schenkten viele Thurgauer Betriebe einem regulären Schulabschluss eine hohe Beachtung. Und ausserdem wünschten es sich viele ausbildende Betriebe, dass die Eltern des Lernenden einer geregelten Arbeit nachgehen, denn diese hätten Vorbildcharakter, so Tobler Linder. Was die Lehrmeister im Thurgau in der Vermittlung von kulturellen Kernkompetenzen leisteten, wertete die Referentin als «phänomenal». Und: «Hier, im Thurgau, steht man noch kulturell auf sicherem Boden. Ich als Zürcherin könnte das von Zürich nicht unbedingt behaupten.»