Aktuell

<  zurück zur Übersicht

Thurgau: Jäger retten Rehkitze mit Drohne

Samstag, 9. Mai 2015

Die Jagdgesellschaft Wängi-Heidelberg sucht nach Rehkitzen mit Hilfe fliegender Wärmesensoren. Das System ist noch nicht ausgereift. Beim ersten Versuch wollte es aufgeheizte Steine vor der Mähmaschine schützen. CHRISTOF LAMPART

WÄNGI. Rehgeissen pflegen im Mai und Juni ihren Nachwuchs in Heuwiesen zu verstecken, wenn möglich in der Nähe von Waldrändern. «Die Geissen fangen so Mitte Mai an zu setzen und zwar meistens in einem Bereich, der sich je fünfzig Meter im Wald und fünfzig Meter aus dem Wald heraus befindet», weiss der passionierte Jäger Martin Ebner, der sich seit Jahren mit dem Schutz von Rehkitzen beschäftigt.

Auf den ersten Blick treffen die Geissen eine gute Wahl. Denn die Deckung ist gut und das gefleckte Fell und der fehlende Eigengeruch in den ersten Lebenswochen schützt das Kitz vor seinen Fressfeinden. Doch die schweizerische Jagdstatistik weist jährlich 1500 Rehkitze aus, die einem Mäher zum Opfer fallen. Die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen.

Dabei tun Jäger und Bauern viel, um mit einfachen Methoden die Tiere aus der Gefahrenzone zu verscheuchen. Das Verblenden durch Alu- und Plastikfolien ist bis zu einem gewissen Grad erfolgreich – und doch zugleich alles andere als ein optimaler Schutz. Deshalb entwickelte die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Bern in jahrelanger Arbeit sogenannte Multikopter. Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung von Wärmesensoren und Drohnen. Im Frühjahr 2014 kam ein solches Gerät im Hinterthurgau, im Revier der Jagdgesellschaft Wängi-Heidelberg, zum Einsatz. Die Anfrage kam via die kantonale Jagd- und Fischereiverwaltung von der Hochschule Bern. «Da wir in unserem Revier viele Wiesen entlang von Waldrändern haben und somit auch mit dem Problem der vermähten Rehkitze konfrontiert sind, haben wir uns gerne dazu bereit erklärt, beim Pilotprojekt mitzumachen», sagt Ebner.

Nur vier von sechzig entdeckt

Nach dem ersten Multikopter-Jahr sieht Ebner den Einsatz der Suchgeräte zurzeit noch ziemlich kritisch. Denn zum einen gehen die Kosten für die Anschaffung einer Drohne locker in den vierstelligen Bereich, und zum anderen war in der Premierensaison die Diskrepanz zwischen Aufwand und Sucherfolg beträchtlich. Zwar konnten bei 35 Flügen vier Rehkitze gefunden werden, doch sei dies bei einer aufgrund der Reviergrösse angenommenen Anzahl von rund 60 gesetzten Rehkitzen «eher wenig». Kommt hinzu, dass das erstmalige Programmieren der Routen sehr aufwendig war und sich der Multikopter nur von einer geschulten Person fliegen lässt. Allerdings dürfte das Programmieren dieses Jahr «praktisch wegfallen, da wir diesbezüglich 2014 viel gemacht haben», sagt Ebner. Problematisch war auch, dass die letztjährige Drohne über eine noch nicht ganz ausgereifte Wärmebildkamera verfügte. So musste einmal die Suche schon um 7.30 Uhr morgens abgebrochen werden, da die Wärmebildkamera aufgeheizte Steine und Mäusehaufen als Rehkitze identifizierte. Dieses Jahr habe man beachtliche Fortschritte gemacht, weiss Ebner. Das Verhältnis zwischen den Thurgauer Jägern und Landwirten bezeichnet Ebner als «an vielen Orten sehr gut».

Wildschweine im Mais

Klar gebe es auf dem Seerücken öfters mal Probleme zwischen Landwirten und Wildschweinen. Für Ebner ist das nicht überraschend: «Wildschweine lieben Mais. Ein Maisfeld ist nicht nur Futterquelle, sondern bietet auch einen guten Schutz.» Im Jagdrevier Wängi-Heidelberg arbeite man beim Rehkitzschutz mit gut 15 von rund 20 Landwirten zusammen. Alle werde man nie vom Nutzen eines solchen Tuns überzeugen können, gibt sich Ebner keinen Illusionen hin. Insbesondere ältere Landwirte täten sich mit neuen Methoden öfters schwer. Hingegen reagierten viele junge Bauern sehr sensibel auf das Thema. Denn «es ist kein schönes Gefühl, wenn man ein junges Tier töten muss, weil man ihm zuvor die Läufe abgehackt hat».