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Spleenig und zeitlos

Dienstag, 13. Dezember 2016

WIL ⋅ Der Basar Bizarr ist anders als andere Basare. Vor allem zur Weihnachtszeit, aber nicht nur. Auch bei der vierten Austragung in der Lokremise in Wil verschmolzen Kunst, Kultur und Handwerk.

Christof Lampart

Drei Tage, von Freitag bis Sonntag, währte der Basar Bizarr in der Wiler Lokremise. Das wäre eine lange Zeit, würde nicht ein entsprechendes «Programm» geboten. Doch der Markt zur Adventszeit, alles andere als weihnachtlich, ist darauf ausgerichtet, weit mehr als nur Umschlagplatz interessanter, weil oft nicht alltäglicher Waren zu sein. Und von Kitsch schon gar nicht. Wer rote Weihnachtskugeln, neonfarbene Rentiere oder Engelsfiguren hier sucht, ist komplett fehl am Platz. Gerade einmal der Glühwein erinnert an die Jahreszeit. Denn das Gemäuer ist unbeheizt und warme Kleidung ein Muss.

Heilmedium löst Blockaden

«Sei mutig. Sprich mich an.» Gleich beim Betreten der Lokremise wird man auf diesen Flyer aufmerksam. Verteilt wird dieser von der Sirnacherin Sihem Sahnoun. «Ich bin ein Heilmedium», erklärt sie. Wer mit ihr reden möchte, ist ihr ebenso willkommen wie auch jene, die eine kurze Sitzung mit ihr in der ausrangierten Skigondel – ihrem Behandlungszimmer – abhalten möchten. Hier gibt es keinen Hokuspokus, kein mit Tüchern verhängtes Etablissement. Jeder kann sehen, wer sich bei Sihem Sahnoun befindet, und somit auch, was sie macht. «Ich schaue den Menschen in die Augen und löse Blockaden», erklärt sie. Heilen tue sie zwar nicht, könne den Menschen jedoch Ratschläge geben. «Jeder muss selbst wissen, ob er ihn annehmen möchte oder nicht», lächelt die junge Frau. Sie selbst fühlt sich an diesem Ort wohl: «Hierher finden Leute, die eine gewisse Offenheit und Neugier mitbringen.»

Tatsächlich ist, wer neue Erfahrungen machen oder zumindest selten Gesehenes vor die Augen bekommen möchte, hier bestens bedient. Es sind teilweise spleenige Ideen, die jedoch genial umgesetzt sind. Manches wirkt, gerade weil zu dessen Herstellung Altes verwendet wird, neu und irgendwie zeitlos modern. Viele Produzentinnen und Produzenten, das ist nicht nur spürbar, sondern zuweilen auch zu sehen, legen grossen Wert auf Wieder- oder gar Resteverwertung. Kunst(-handwerk) muss nicht extravagant, aber durchdacht sein. Nicht sündhaft teuer, jedoch stets originell. Wie die Möbel, die ein Toggenburger aus dem fertigt, was andere vom Baum beziehungsweise dem zersägten Klotz oder Brett wegwerfen. Die Kollektion «Restpfosten» sieht denn, wie es der Name suggeriert, ziemlich «schepps» aus und quietscht und knarrt auch ein bisschen, wenn man sich darauf zurücklehnt. Doch die Sitzgelegenheiten sind bequem, speziell und, was auch für den ausgeprägten Individualisten am wichtigsten sein dürfte: Sie halten problemlos.

Interessantes Rahmenprogramm

Problemlos «halten» tun auch die Erwartungen, welche man mit einem Basar verknüpft, der das Wort «bizarr» im Namen führt. Dazu tragen auch die Kunstaufführungen bei, welche jeweils zur vollen Stunde gezeigt werden: Da hat der Fusion-Bellydance in der abgedunkelten Lok­remise genauso Platz wie poetische Akrobatik der anderen Art. Am Ende geht der Hut herum – und wenig später bei vollem Licht das bizarre Treiben weiter.