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Skurriles mit ganz viel Tiefgang

Montag, 23. Januar 2012

Dass jemand mit fast 85 Jahren sein eigentliches öffentliches Debüt als Künstler, gibt, ist selten. Nicht selbstverständlich ist auch, dass diese Kunst dann so jung und vital wirkt, wie sie es im Fall von Max Fichmann tut.

CHRISTOF LAMPART

Der 1927 in St. Gallen in eine jüdische Familie geborene Max Fichmann hat in den letzten knapp  eineinhalb Jahrzehnten nach einer erlittenen Aphasie (Sprachstörung) diese nicht nur unter anderem durch eine Maltherapie überwunden, sondern dabei eine eigene, „farbenfrohe Sprache entdeckt und dabei seinen Lebensweg neu entworfen“, wie Laudator Josef Fässler am Freitagabend an der sehr gut besuchten Vernissage im Kulturpavillon der Psychiatrischen Klinik Wil erklärte. Nachdem Max Fichmann im 2011 erstmals in der Wiler Galerie „Kunstsicht“ ausstellte, sind nun seine Bilder auf dem Klinikareal zu sehen.

Gefragte Farbkompositionen

Max Fichmanns Werke lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Gesichter und weitgehend Abstraktes. Während erstere meistens etwas ungewollt-naiv wirken und in ihrer unmittelbaren Offenheit den Betrachter gewissermassen einen „entwaffnenden“ Spiegel vorhalten, sind die oft mit humoristischen Texten versehenen abstrahierten Werke harmonische, sich an bekannte Meister wie Picasso, Braque, Magritte, Klee oder Monet anlehnende Farbkompositionen, die trotz allerlei malerischen „Zitaten“ auf eine spannungsvolle Art authentisch und nicht auch im geringsten epigonal wirken. Mit dieser subjektiven „Einteilung“ im Kopf war es spannend zu beobachten, wie die Leute einkauften, denn an der Vernissage gingen über ein Dutzend seiner Bilder weg – fast alles waren harmonische Bilder und keine Gesichter.

Vieles zu sehen

Max Fichmanns Bilder sind zumeist klein- ab und an mittelformatig und bieten trotzdem viele Raum zum Entdecken immer neuer Details. Denn der Künstler bringt vieles in seinen Werken unter: Eigenständiges wie auch Zitate, Worte, Ornamente und zuweilen auch ganz unterschiedliche Stile. Hier ist spürbar, dass ein Mensch aufgrund seines innersten Empfindens heraus mal, ohne sich dabei Gedanken darüber zu machen, wie das von ihm Gefertigte nach aussen wirkt. Und trotzdem  - oder besser gesagt: deshalb - bringen seine Bilder die Betrachter fast „automatisch“ dazu, die eigenen, gängigen Betrachtungsweisen radikal zu hinterfragen. Max Fichmanns Bilder zu betrachten, ist ein freudvolles und spannendes Unterfangen zugleich! Was wohl vielleicht auch damit zusammenhängt, dass die Bilder im Grunde genommen nie für eine Ausstellung gemalt wurden.

Lohnender Besuch

Dass Max Fichmann nun seine bemerkenswerten Bilder doch einer – nimmt man die Vernissage als gültigen Indikator - begeisterten Öffentlichkeit zeigte, ist vor allem das Verdienst von Tilly Scheller-Zeller. Man darf dieser Dame dankbar dafür sein, denn die zuweilen etwas skurrilen Bilder Max Fichmanns sind es auf jeden Fall wert, dass sie von einer grossen Zahl an Besucherinnen und Besuchern eingehend betrachtet werden. Die Ausstellung ist noch bis und mit dem 19. Februar zu sehen.