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Sirnacher sehen bei „Orange“-Antenne rot

Dienstag, 25. Oktober 2011

Die Wut ist gross, im Sirnacher „Bädli“-Quartier. Wie Anwohner erst vor wenigen Tagen erfuhren, plant „Orange“ an der Fischingerstrasse 51 den Neubau einer Mobilfunkantenne. Nun sammeln besorgte Einwohner Einsprachen. Die Eingabefrist läuft übermorgen Donnerstag ab.

CHRISTOF LAMPART

Die Zeit drängt – das ist auch der Initiantin, der an der Ringelstrasse 14 lebenden Nadine Betschart Meza Sanchez, klar. Zwar ist auch der Brief, den das Bauamt Sirnach ihr geschickt hat, am 7. Oktober datiert worden – also einen Tag vor dem Beginn der öffentliche Auflage der Baueingabe der „Orange Communications SA“ – doch erreicht hat sie das Schreiben erst eine Woche später.

 „Niemand kann kontrollieren“

Am Anfang habe nebst der Wut schon auch ein wenig die Tendenz unter den Betroffenen vorgeherrscht, dass „man da ja sowieso gegen so eine grosse Firma nichts machen kann“, wie der ebenfalls von der Gemeinde angeschriebene Paul Schweizer, der an der Ringelstrasse 13 wohnt, erklärt. Dass sich das anfänglich kleine Häufchen Unentwegter, nun aber stetig grösser werdende Gruppe sich dazu entschieden hat, Flyer zu verteilen und Einzeleinsprachen einzureichen, ist auf verschiedenes zurück zu führen. Erstens befürchten die Einsprecher durch den Bau der Mobilfunkantenne, dass die gesundheitlichen Risiken für die Anwohner (Krebs, Konzentrations- und Schlafstörungen etc.) zunehmen könnten. Zudem vermindere eine unmittelbar ans Grundstück angrenzende Antenne massiv den Wert der eigenen Liegenschaft um 10 bis 50 Prozent, bis hin zu unverkäuflich. Die Gemeinde habe auch zu wenig getan, um die Sirnacher frühzeitig und umfassend über das Bauprojekt zu informieren. Und schliesslich fehle jegliche Garantie seitens der Betreiber, dass die auf den Datenblättern angegebenen Grenzwerte wirklich eingehalten würden. Denn die Anlagen seien tatsächlich auf eine sechs Mal höhere Sendeleistung ausgerichtet. „Wenn „Orange“ wollte, könnten die doch einfach die Sendeleistung hoch fahren ohne dass es jemand kontrollieren könnte“, befürchtet Nadine Betschart Meza Sanchez.  

Ist die Strahlungsbelastung, die von der neuen Anlage ausgehen soll, also wirklich gesundheitsschädigend? Laut Messungen wurde am Gewerbehaus an der Fischingerstrasse 51 eine maximal gemessene elektrische Feldstärke von 7,16 Volt per Meter erreicht. Damit sind die gesetzlich zulässigen Immissionswerte für Kurzzeitaufenthalt gerade einmal zu 14 Prozent ausgeschöpft. Und die Messwerte an den drei höchstbelasteten „Orten mit empfindlicher Nutzung“ belaufen sich auf zwischen 4,56 und 4,84 V/m. Damit stellen diese Messungen keinen Grund zur Beunruhigung dar, wird doch der Anlagegrenzwert von 5 V/m eingehalten.

 „Einspruch bringt Klarheit“

Und wie steht es mit dem Vorwurf, dass die Politische Gemeinde die Betroffenen nicht genügend informiert habe? Sirnachs Gemeindeammann, Kurt Baumann, schüttelt bedächtig den Kopf, bevor er antwortet. Man habe ein Baugesuch erhalten und sei ordnungsgemäss darauf eingegangen. Dazu gehört auch, dass man die direkten Grundstücknachbarn - im Falle der „Orange“-Antenne waren es drei - nicht aber alle anderen Einspruchsberechtigten einen entsprechenden Brief schickt.

Einspruchsberechtigt sind bei einem Antennenbau jedoch alle, welche in einem Umkreis von 840 Meter ab der Antenne wohnen oder arbeiten. Hätte man dann aber nicht zumindest im Gemeindeblatt „Sirnach aktuell“ das Bauvorhaben im Voraus publizieren müssen, zumal es sich ja bei einem Bau einer Mobilfunkantenne um ein sensibles, in der Bevölkerung oft kontrovers diskutiertes Thema handelt? Ab wann denn ein Thema sensibel sei und wann nicht, will der studierte Elektroingenieur Baumann wissen. Tatsache sei doch, dass, was die einen schlecht, andere wiederum gut fänden. Verfahre man nach diesem Prinzip, so müsse man im Grunde genommen doch über alle privaten Bauvorhaben in der Gemeinde im Voraus informieren. Und hätte man nun eine Ausnahme gemacht, so wäre ein Präzedenzfall geschaffen worden und „das geht nicht“, so Baumann.  

Tatsächlich verfügt die Politische Gemeinde Sirnach über klare Richtlinien. Die direkt an ein Objekt anstossenden Grundeigentümer werden schriftlich vor der Publikation auf das Gesuch aufmerksam gemacht. Ein Gesuch wird zudem nur dann publiziert, wenn die Bauvisiere stehen. Anstösser in einem weiteren Umfeld zum visierten Objekt können somit erkennen, dass ein Objekt geplant ist.  Und schliesslich haben Interessierte die Möglichkeit, während der Auflagefrist bei der Bauverwaltung Einsicht in die aufgelegten Pläne zu nehmen. Dennoch würde Nadine Betschart Meza Sanchez gerne die Baugesuche auf der Gemeinde-Webseite publiziert sehen. „Für so was wäre die Homepage doch prädestiniert. Es wäre wünschenswert, wenn Baueingaben und Ausschreibungen deshalb ab sofort auf der Gemeindehomepage publiziert würden. Das wäre ohne viel Aufwand möglich.“

Keineswegs jedoch sträubt sich die Gemeindeverwaltung gegen die zu erwartenden Einsprüche: „Ich begrüsse es sogar, wenn Bürger in einer für sie wichtigen Sache Stellung beziehen und Auskünfte vom Bauherrn verlangen. Denn dadurch wird am Ende für alle mehr Klarheit geschaffen“, so Baumann.