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Regionale EW setzen vermehrt auf Ökostrom

Freitag, 17. Februar 2012

Seit Fukushima ist auf dem Strommarkt nichts mehr so wie es zuvor war. Immer mehr Stromkunden verlangen Naturstrom. Diesem Bedürfnis tragen auch die lokalen Elektrizitätswerke immer mehr Sorge.

CHRISTOF LAMPART

Für den Betriebsleiter der Technischen Betriebe Wil (TBW), Martin Berti, war schon kurz nach der Reaktorkatastrophe im fernen Japan klar, dass „sich da was ändern muss.“  Und so informierte das städtische Versorgungsunternehmen seine Kunden dahingehend, dass man in Zukunft alle Kunden automatisch mit dem marginal teureren (plus 0,2 Rappen je Kilowattstunde) Strom aus helvetischer Wasserkraft versorgen wird.

AKW-Strom-Fans müssen sich melden

Wer in Wil nach wie vor auf Atomstrom setzen möchte, muss dies den TBW melden. Ende Oktober 2011 waren es rund 500 von 10‘000 TBW-Kunden, welche explizit weiterhin auf Atomstrom setzen wollten. Doch so schön die Entwicklung auch vordergründig zu sein scheint – sie hat einen Haken. Denn die TBW kaufen wohl für ihre Kunden Wasserkraftstrom-Zertifikate ein, doch wer garantiert einem, dass der Strom, den er aus zu Hause bezieht, auch wirklich aus einheimischer Produktion kommt? Denn tatsächlich ist der Bedarf an Ökostrom in der letzten Zeit stärker gestiegen als man von Produzentenseite vor  Fukushima je gedacht hätte.

Sirnach setzt auf Energieförderung

Genau dieser kritische Gedanke ist es, den das Elektrizitätswerk Sirnach bei der Förderung alternativer Energien einen anderen Weg einschlagen lässt.  Für Betriebsleiter Pasquale Zampogna ist der Kauf von Zertifikaten „im Grunde genommen nur ein Handel, der aber tatsächlich nichts an der produzierten Menge ändert.“ Deshalb hat sich das EW  Sirnach  - zusammen mit den EW von Münchwilen und Aadorf - für die Anhebung des Strompreises um einen halben Rappen je Kilowattstunde entschieden.  Dies bringt für einen Durchschnittshaushalt mit vier Personen im Jahr Mehrkosten von rund 20 Franken mit sich. Mit diesen Mehreinnahmen werden dann alternative Energien, insbesondere Photovoltaik-Anlagen, gefördert. Seit Anfang 2012 hätten so in Sirnach, Münchwilen und Aadorf innert zwei Monaten schon zehn Projekte gefördert werden können, welche „den Strom-Mix in den Gemeinden langsam, aber kontinuierlich verändern“, so Zampogna. Diese drei EW kaufen den lokalen  Energieerzeugern  den Strom ab und speisen es ins Netz ein. „Wir haben mit den Betreibern Zehn-Jahres-Verträge geschlossen; daran kann man sehen, dass wir die Idee langfristig angelegt haben“, sagt Zampogna, zu dessen grosser Freude sich rund 90 Prozent aller Haushalts-Stromkunden der drei Gemeinden sich mit diesem Strompreisaufschlag einverstanden erklärt haben.

Flawil mischt „Wasser“ bei

Für den Geschäftsführer der Technischen Betriebe Flawil, Urs Haaf, hat sich seit Fukushima nicht viel geändert. „Wir kaufen schon seit längerem den ganz normalen Standardstrom ein und reichern ihn dann – ohne ihn für unsere Kunden zu verteuern – zur Hälfte mit Strom aus Wasserkraft an.“ Aber auch aus „ein paar weiteren Quellen“ wie der lokalen Abwasserreinigungsanlage oder einigen Solarenergie-Erzeugern wird der Strom ins lokale Netz eingespeist.  Generell, so Haaf, sei davon auszugehen, dass der Strom in den nächsten Jahren „garantiert teurer“ werde, auch wenn Flawil keinen lokalen „Energieförderungs-Rappen“ plant wie ihn Sirnach, Münchwilen und Aadorf schon umgesetzt haben. „Mir ist zumindest – Stand heute – nichts in dieser Hinsicht bekannt“, erklärte Haaf.