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"Naiv und blauäugig gehandelt"

Dienstag, 2. Dezember 2014

Ein Architekt wirft einer Romanshorner Behinderteninstitution vor, die Baukosten massiv überzogen und Honorar vorenthalten zu haben. Das Bezirksgericht Arbon wirft nun dem Geschäftsführer der Institution Versagen vor. CHRISTOF LAMPART

ARBON. Ein Architekt und eine Romanshorner Institution für Behinderte trafen sich bereits im Mai 2011 vor dem Bezirksgericht Arbon. Damals verlangte der Architekt ein Resthonorar von 233 000 Franken. Der Geschäftsführer der Institution lehnte dies damals jedoch ab.

Mangelhafte Mängelliste

Das könnte die Institution nun teuer zu stehen kommen. Denn wie sich zeigte, tätigte der Geschäftsführer diese Mehrbestellungen von acht Millionen Franken ohne Wissen des Architekten. Ursprünglich ging der Architekt nur von vier Millionen Franken an Mehrkosten aus. Die Verdoppelung konnte erst festgestellt werden, nachdem die Institution gerichtlich gezwungen wurde, die eigene Bauabrechnung herauszurücken. Ursprünglich sollte der Bau 17 Millionen Franken kosten; nun sind es über 30 Millionen.

Der Geschäftsführer sagte, der Architekt habe die Arbeit vorzeitig eingestellt. Dieser Darstellung widersprach der Architekt: «Die ordentlichen Arbeiten waren alle fertig.» Die Klage der Bauherrschaft, er habe die Nacharbeiten nicht mehr ausgeführt, sei erst einige Monate nach dem Bezug des Baus erhoben worden. Zudem umfasste die Mängelliste der Bauherrschaft auch Arbeiten, welche der Geschäftsführer selber vergeben hatte.

Zwei Vereinbarungen

Offen ist, ob die Institution Kompensationen von Handwerkern erhielt, obwohl sie die Versicherungsleistungen bereits geltend gemacht hatte. Der Verteidiger räumte ein, dass es zwei Vereinbarungen gebe. Diese seien jedoch nicht substanziell und müssten nicht vorgelegt werden. Der Richter wies daraufhin die Partei an, die Papiere nachzureichen. Es sei Sache der Justiz, zu beurteilen, ob die Beweise von Bedeutung seien oder nicht.

Restaurant für 2,4 Mio. Franken

Die Bauherrschaft, so der Architekt, habe vieles bestellt und ihn erst danach informiert – auch im Gastrobereich. Dabei habe er dem Geschäftsführer mehrfach erklärt, dass es für einen professionellen Gastrobereich samt Konferenzräume kein Budget gebe. Der Geschäftsführer habe «geträumt und dann drauflos bestellt». Tatsache ist: Der Kostenvoranschlag sah für den Innenausbau des Restaurants 500 000 Franken vor; allein die Mehrkosten belaufen sich jedoch auf 2,4 Millionen Franken. Der Geschäftsführer bestritt den Vorwurf, er habe den Architekten nicht über sein Vorhaben informiert. Sie hätten beide die Gastro- und Seminarräume im Flughafen Zürich besichtigt, womit doch hätte klar sein müssen, was ihm vorschwebte, sagte er. Zeugen bestätigten die Version des Architekten – von einer einfachen Küche mit Kantine. Einzig der Haushandwerker der Institution sagte zugunsten des Geschäftsführers aus, konnte sich aber nicht an Details erinnern.

Von Kantonen mitfinanziert

Der Geschäftsführer warf dem Architekten vor, dass er von ihm nie eine saubere Zwischenabrechnung gesehen habe: «Wir hatten keine Budgetvergleiche. Es hiess einfach, die Kosten seien höher als geplant; wie viel, wussten wir jedoch nicht.» Das machte den Richter stutzig. Er hielt der Bauherrschaft vor, «naiv und blauäugig gehandelt, wenn nicht sogar versagt zu haben». Die Institution sei der öffentlichen Hand Rechenschaft schuldig, was mit ihren Geldern geschehe – die Kantone Thurgau und St. Gallen sowie die Sozialversicherungsanstalten finanzieren die Institution massgeblich. Da helfe es ihnen auch nicht, dass sie keine Baufachleute seien. Schliesslich seien die Probleme offensichtlich gewesen. «Wenn etwas im grösseren Rahmen nicht stimmt, dann ziehe ich doch Fachleute bei, die mir bei der Kontrolle helfen», rügte der Richter den Geschäftsführer.

Das Gericht stellt den Parteien eine Stellungnahme zu. Bis Mitte Januar müssen diese Stellung beziehen müssen. Dann wird entschieden, ob der Prozess fortgesetzt wird.