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Mit kurzen Wegen das Klima verbessern

Freitag, 13. Mai 2011

Der Wissenschaftsjournalist Marcel Hänggi entwarf in Weinfelden das Bild einer Gesellschaft, welche in Zukunft mit massiv weniger Energie auskommen müsse, um zu überleben. Doch der Verzicht sei nicht nur negativ, sondern zugleich auch eine Chance für die Menschen.

CHRISTOF LAMPART

Der Klimawandel sei wohl das drängendste Problem der Menschheit, erklärte Hänggi vor gut 40 Zuhörern, als er am Dienstagabend auf Einladung der erfa-Gruppe Weinfelden im „Trauben“ sprach. Dieses Problem könne man in den Griff bekommen – jedoch nur, wenn die Menschheit bereit sei, tatsächlich Energie zu sparen.

Je effizienter, desto länger

Alleine mit einer besseren Energieeffizienz sei das Problem nicht zu lösen. Denn zum einen wachse die Weltbevölkerung ungebrochen und zum anderen tendiere der Mensch generell zur Gleichung „je effizienter die Maschine, desto länger kann ich sie brauchen.“ Als Beispiel führte Hänggi die Waschmaschine an. „Die Waschmaschine hat vielen Frauen die Hausarbeit extrem erleichtert. Tatsächlich verbringt aber heute ein Mensch gleich viel Zeit mit dem Wäschewaschen wie vor 50 Jahren. Er ist heute einfach in der Lage, mehr Wäsche zu waschen als früher.“ Und natürlich verbraucht er auch mehr Energie. Doch zurück zum Hygienezustand von vor 50 Jahren möchte heute niemand. „Wenn Sie heute so rum laufen würden wie die Leute um 1960, dann hätten Sie bald einmal ein soziales Problem, weil man von Ihnen dächte, dass Sie stinken“.

20 Prozent verbrauchen 80 Prozent

In den letzten 50 Jahren hat sich die Weltbevölkerung fast verdoppelt, der Energiebedarf jedoch versechsfacht. Wobei der Energieverbrauch ungleich verteilt ist. „Die 20 Prozent der Menschen, die in den Industrieländern wohnen, verbrauchen rund 80 Prozent aller fossilen Energien, während die am schnellsten wachsende Schicht, die untersten 20 Prozent, sozusagen nichts brauchen“, so Hänggi. Das Energie- und letztlich somit auch Klimawandelproblem hat also zwar einen globalen Effekt, ist jedoch vor allem ein haugemachtes Problem der Industriestaaten. Und diese, so Hänggi, müssten nun auch für eine Umkehr im Energiekonsumverhalten sorgen.

Miserable Energieeffizienz

Wie verschwenderisch die Menschen mit der Energie der fossilen Rohstoffe umgingen, sei vor allem am schnell wachsenden Privatverkehr ersichtlich. Denn obwohl Benzin von seinen Voraussetzungen her der optimale Energielieferant sei, würde dessen Energiepotential beim Autofahren kaum genutzt.  Hänggi rechnete vor, dass die Energieeffizienz von Benzin sich bei einem 1500 Kilo schweren und 150 PS starkem Auto, das von einem 80 Kilo schweren Menschen gefahren werde, „höchstens ein Prozent“ beträgt – und damit 100 mal schlechter sei als die eines Fahrrades. Es reiche jedoch nicht, heute nur von massiven Einsparungen, höheren Energiepreisen und alternativen Energien zu reden, sondern wir müssten auch aktiv eine Gesellschaft der kurzen Wege zu entwickeln. „Wir brauchen eine Energiepolitik, die nicht primär Verzicht ist, sondern vor allem eine Bereicherung. Indem wir zum Beispiel eine Raumplanung der kurzen Wege forcieren, so dass beispielsweise Einkaufsmöglichkeiten auf Velodistanz vorhanden sind. Denn das würde mehr Mobilität mit weniger Energieverbrauch ermöglichen. Nur Windräder aufzustellen, wird alleine nicht reichen.“