Aktuell

<  zurück zur Übersicht

Mit 60 Lenzen auf zu neuen Ufern

Mittwoch, 31. August 2011

Als er vor 27 Jahren seine Stelle als Kassenleiter der Ausgleichskasse des Thurgauer Gewerbeverbandes antrat, setzte sich Robert Mühlemann ein Marke. „Mit 60 Jahren wollte ich noch einmal etwas anderes machen.“ Nun ist es so weit: Ende August geht er und - hinterlässt ein bestelltes Feld.

CHRISTOF LAMPART

Als Robert Mühlmann vor über einem Vierteljahrhundert von der Thurgauer Kantonalbank (TKB) zur Ausgleichskasse des Thurgauer Gewerbeverbandes wechselte, war noch vieles anders. „Ich fand einen grossen Blumenstrauss, eine Schreibmaschine und drei Ordner mit dem Hinweis „Lesen Sie das einmal!“ auf dem Tisch vor“, erinnert er sich schmunzelnd. Gerade einmal drei Angestellte waren sie am damaligen Geschäftsstandort an der Schützenstrasse in Weinfelden – heute sind es im Domizil an der Thomas-Bornhauserstrasse immerhin neun. „Meine erste Aufgabe war es damals, dass ich Computer anschaffte, denn ich hatte schon bei der TKB damit zu tun, also galt ich auch damals sozusagen als Informatiker und kompetent für solche Entscheide“, erklärt der lebhafte Endfünfziger lachend.

Ein „Alter“ hilft den Jungen

60  Jahre alt wird Robert Mühlemann in wenigen Monaten, doch berufsmüde ist er mitnichten. „Ich habe diese Arbeit hier immer genossen. Es gab nie einen Tag, an dem ich nicht mit Freude zur Arbeit gegangen bin.“ Warum also verlässt er seinen Posten? „Ich hatte es schon immer irgendwie im Kopf, dass ich mit 60 noch einmal etwas Neues anpacken wollte“.  Geht es nach ihm, so will er gerne in den verbleibenden Jahren bis zur Pension Jungunternehmer bei der Existenzgründung helfen, indem er sie kostengünstig berät. „Ich möchte einfach etwas von meiner Erfahrung an junge Menschen weiter geben, welche eine gute Idee haben, diese aber mangels Beziehungen oder Geld nicht umsetzen können. Ich denke, dass man junge Unternehmer, die viel Zeit, Herzblut, Energie und auch Geld in ihren Traum investieren, auf diese Art ein wenig fördern und entlasten sollte“, erläutert Mühlemann. Vorerst ist er aber noch mit dem Aufräumen beschäftigt. „Ich habe schon einige Meter an Büroakten entsorgt, die es jetzt nicht mehr braucht. Aber das geht wohl jedem so, der so lange an einer leitende Stelle ist wie ich“. 

Unternehmer mit Angestelltenstatus

Von Wehmut ist bei ihm aber nicht die Rede. „Ob das am letzten Arbeitstag kommt? Ich lass es einfach auf mich zukommen. Momentan spüre ich aber noch nichts.“. Dass er nun ruhig gehen kann, hat jedoch auch damit zu tun, dass er seine Nachfolge mit dem bisherigen Kassenleiter-Stellvertreter Bruno Otto und dem neue Vizekassenleiter Christian Mühlemann als „sehr gut geregelt“ ansieht.  Das ist nicht ganz selbstverständlich. Denn auch wenn er sich selbst nicht gerne in den Mittelpunkt stellt, und Mühlemann stets Angestellter des Gewerbeverbandes war, so sah er sich doch immer als „selbständiger Unternehmer mit Angestelltenstatus“. Gewissermassen als ein Patron der alten Schule gegenüber den Mitarbeitenden, aber auch als konsequenter Dienstleister gegenüber den Kunden. „Ich habe die Ausgleichskasse immer als ein Dienstleistungsunternehmen und nicht als Sozialversicherungs-Anstalt begriffen. Also als eine Firma, die sich einem gesunden Wettbewerb stellen und durch ihre Dienstleistungen ihre Kunden überzeugen muss.“ Aus diesem Grund hält er auch nichts von der Schaffung einer etwaigen nationalen Einheitskasse. „Ohne Wettbewerb wird der Apparat aufgebläht, ineffizient und damit am Ende für alle teurer“, spricht Mühlemann einem Ausgleichskassen-Konkurrenzkampf das Wort.  Eine solch klare, marktwirtschaftliche und kundenorientierte Ausrichtung kam und kommt bei den rund 1‘200 Gewerbebetrieben, welche die Ausgleichskasse des Gewerbeverbandes betreut, gut an. Auch war sich Mühlemann nie zu schade, mal selbst bei seinen Kunden vorbei zu schauen. „Der persönliche Kontakt ist mir immer schon sehr wichtig gewesen. Wenn man als Kassenverwalter ein „Gesicht“ hat und die Firma des Kunden nicht nur eine Nummer in der Kartei ist, dann kann man auch ab und an schwierige Situationen wie zum Beispiel eine Betreibung, besser, weil menschlicher, meistern“, weiss Mühlemann aus Erfahrung. Obwohl er immer noch in Amt und Würden ist, hat er in den letzten Monaten sein Pensum reduziert. „Ich wollte eine fliessenden Übergang schaffen, so dass alles eingespielt ist, wenn ich nicht mehr hinter diesem Schreibtisch sitze.“ Dass es anders sein könnte, kommt dem „Patron“ aber erst gar nicht in den Sinn. „Dafür sind die Leute hier einfach zu gut“, so Mühlemann.