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Malaga war eine Reise wert

Freitag, 17. Oktober 2014

KRADOLF. Nach Silber an den diesjährigen Veteranen-Europameisterschaften in Prag doppelte der Judoka Hans Nessensohn an den Weltmeisterschaften in Spanien nach. Der 60jährige Kradolfer gewann in seiner Kategorie die Bronzemedaille. CHRISTOF LAMPART

Zwar war das Wetter Ende September in Malaga eher durchzogen, doch Nessensohns Leistung entsprach ganz klar einem wolkenlosen Sonnentag. Der Kradolfer schrammte nur knapp am Titel vorbei. Und das, obwohl das Niveau an den Weltmeisterschaften deutlich höher war als an den Europameisterschaften in Prag. «Ich hatte mich intensiv vorbereitet, denn da es meine erste WM-Teilnahme war, konnte ich nicht so genau einschätzen, was mich dort erwarten würde. Da ich aber als Vizeeuropameister keine schlechte Figur abgeben wollte, legte ich im Training noch einen Zacken zu», erinnert sich Nessensohn.

Es fehlte nur wenig

Für den ganz grossen Wurf, sprich den Titelgewinn, reichte es dem Kradolfer zwar nicht, doch ist er leistungsmässig eindeutig weniger weit vom obersten Podest entfernt gewesen als noch an der EM. «Ich war mental ganz auf den Sieg ausgerichtet.» Dass sein Vorhaben nicht vom ganz grossen Erfolg gekrönt war, hatte auch damit zu tun, dass er im Halbfinal auf den amtierenden Welt- und Europameister, den Russen Anatoly Petrov, traf. Doch im Gegensatz zum Prager EM-Finale, das Nessensohn noch deutlich durch Ippon (KO-Wertung) verloren hatte, verlief dieser Kampf ausgeglichener.

Der Russe konnte sich im Kampf über die volle Zeit, also über zweieinhalb Minuten, zwar einen Waza-Ari (zweithöchste Wertung) gutschreiben lassen, aber Nessensohn war der einzige Judoka, der sich gegen Petrov einen Yuko (drittgrösste Wertung) notieren lassen konnte. «Ich bin ihm näher gekommen. Das nächste Mal könnte ich ihn packen», sagt Nessensohn, und man spürt die Zuversicht, die in seinen Worten mitschwingt. Zumal ihm auffiel, dass auch Petrov gegenüber der EM «noch einmal ein ganzes Fuder an Leistung draufgepackt hatte». Nessensohn ist überzeugt, dass ein Sieg gegen Petrov möglich gewesen wäre, hätte dieser in Malaga «nur» seine EM-Leistung gezeigt. Doch der Kradolfer ist ein fairer Verlierer: «Der Russe war schon brutal stark.» Dass sich Nessensohn in Bezug auf die sportliche Zukunft so zuversichtlich gibt, ist auch darauf zurückzuführen, dass er erst 2014 nach einer langwierigen Schulterverletzung wieder ins Training einstieg.

Nicht jeden Gegner gekannt

In Spanien demonstrierte der 60jährige Schreinermeister eindrucksvoll, dass er bei einem Grossanlass seine volle Leistung auf den Punkt abzurufen versteht. Immerhin nahmen am dreitägigen Event 1519 Judokas aus 52 Ländern teil. Dies führte dazu, dass Nessensohn auch gegen unbekannte Gegner anzutreten hatte. Ein solches Kaliber war etwa der Brasilianer Sergio Hondo. «Das einzige, was ich wusste, war, dass es in Brasilien zwei Millionen Judoka gibt, und dass er somit gut sein musste, wenn er hier antritt», sagt Nessensohn. Dennoch trug ihm der vorzeitige Sieg gegen den Südamerikaner das Vorschlussrunden-Duell gegen Petrov ein.

Ärgerlich verlief aus seiner Sicht der Kampf um die Silbermedaille, den der Franzose Frédéric Durand nur deswegen gewann, weil «ich ungerechtfertigt die Matte verlassen haben soll», schüttelt Nessensohn heute noch den Kopf. Denn für ihn ist klar, dass «ich nur mit einem Fuss ausserhalb der Matte stand – und das ist erlaubt». Er kassierte jedoch eine Strafe und verlor den Kampf mit 100,5 zu 100 Punkten.

Noch schneller werden

Mittlerweile hat sich Nessensohn bereits darüber Gedanken gemacht, wie er Petrov bei einer etwaigen dritten Auseinandersetzung, welche dann voraussichtlich 2015 an den Europameisterschaften in Irland vonstatten gehen dürfte, besiegen könnte. «Eigentlich setzt man im Judo zuerst einen Griff, geht dann zur Wurfvorbereitung über und setzt schliesslich den Wurf. Petrov hingegen lässt praktisch die zweite Phase aus und geht vom Griff direkt zum Wurf über. Diese Schnelligkeit muss ich auch hinbekommen. Gelingt mir das, so bin ich sehr zuversichtlich für die Zukunft.»

Und dass er dies schaffen kann, daran glaubt Hans Nessensohn felsenfest: «Ich sehe beim Training mit den Jungen, dass ich mich immer wieder steigern kann und Fortschritte mache. Und ich weiss: Ich komme Petrov jetzt schon sehr nahe.»