Aktuell

<  zurück zur Übersicht

Mal wollten sie nicht, dann doch

Montag, 26. November 2012

Ihr Titel ist provokant, die Ausstellung interessant. Sie dokumentiert die Gemeinsamkeiten von Wil und Bronschhofen, die teilweise bis ins achte Jahrhundert zurückgehen. Eine Ausstellung nicht nur für «Neu-Wiler».

CHRISTOF LAMPART

«Wil für Anfänger?!» ist der Versuch, den parallelen Werdegang der Landgemeinde Bronschhofen und der Stadt und des Marktfleckens Wil über die Jahrhunderte hinweg aufzuzeigen.

Was hatten die beiden Gemeinden in den letzten 13 Jahrhunderten gemeinsam, was trennte sie, wie könnte die gemeinsame Zukunft aussehen? Um diese drei Fragen kreist die Exhibition, welche Stadtarchivar Werner Warth konzipierte und realisierte.

Jahrhundertelang zehntpflichtig

Die Gemeinsamkeiten in der Vergangenheit sind schnell ersichtlich und aufgezählt. Da ist zum einen die mehr oder weniger gleichzeitige Ersterwähnung von Wil (754) und Bronschhofen (796), dort die Tatsache, dass beide Orte wehrpflichtige Männer zu stellen hatten.

Damit hatte es sich jedoch schon weitgehend. Denn während Bronschhofen jahrhundertelang nach Wil «zehntpflichtig» war, herrschten im Nachbarort selbstbewusste Städter, die sich ihres Status' bewusst waren. Als 1416 in Wil ein Spital errichtet wurde, nahmen die Schenkungen ans Kloster St. Gallen zu. Häufig waren davon Höfe und Ländereien aus der Umgebung, also auch aus Bronschhofen, betroffen, so dass die Zehntabgaben von Bronschhofen nach Wil sogar noch anstiegen.

«Kein gutes Einverständnis»

Kein Wunder verlief die Entwicklung zwischen den beiden Gemeinden nicht so harmonisch ab, wie es die grosse, doppelwandige Chronik suggeriert, welche einen Teil der Ausstellung dominiert. Dazu passt, dass die Gemeinde Schneckenbund (sie benannte sich erst 1817 in Bronschhofen um) schon wenige Monate, nachdem sie 1803 bei der Gründung des Kantons St. Gallen zur Stadt Wil kam, erfolgreich um die Entlassung aus derselben bat, weil «kein gutes Einverständnis» zwischen den ungleichen Gemeinden herrschte. Dies war 1961 anders, als ein Teil der Bewohnerinnen und Bewohner der Bildfeldstrasse den Anschluss an Wil suchten. Bronschhofen lehnte jedoch ab, da die Landgemeinde damit nicht nur 125 Steuerzahler, sondern auch eine Fabrik und zwei Restaurants sowie einige Landwirtschaftsbetriebe verlustig gegangen wäre, was Bronschhofen in ernste ökonomische Schwierigkeiten gebracht hätte. Wil hatte Verständnis für die Bronschhofer Haltung, kommentierte jedoch diesen mit dem Hinweis, dass mit diesem noch kein präjudizierender Entscheid hinsichtlich einer späteren Gemeindevereinigung getroffen worden sei.

Ein Open Air im AMP?

Die Ausstellung zeigt auch die Entwicklungsmöglichkeiten des zukünftigen Wils auf. Alte und neue Fotos – zum Beispiel vom AMP-Areal – zeigen Flächen auf, die zeitnah anderweitig genutzt werden könnten. Oder wie der Wiler Künstler Renato Müller spontan an der Vernissage bemerkte: «Das wären doch die idealen Räumlichkeiten für ein Kulturzentrum oder auch ein Platz für ein unkonventionelles Open Air.» Eine schöne Idee ist, dass etliche Persönlichkeiten aus Wil und Bronschhofen eingeladen wurden, sich über ihren Lieblingsplatz in Wil, oder Bronschhofen zu äussern; die Antworten sind auf den aufgehängten Tafeln nachzulesen. Und schliesslich ist da noch die grosse Gemeindekarte auf dem Boden, auf welcher die Ausstellungsbesucher herumlaufen können. Man kann die neue Gemeinde «betreten», bevor sie am 1. Januar 2013 Tatsache wird.