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Knapp an Gefängnisstrafe vorbei

Donnerstag, 7. Juli 2016

Sie stahlen, randalierten, zündeten Pyros in Stadien, bedrohten Menschen und konsumierten Drogen. Die Quittung für ihr Fehlverhalten bekamen nun zwei junge Männer vom Bezirksgericht Münchwilen präsentiert: Bedingte Freiheitsstrafen von 15 beziehungsweise 18 Monaten. CHRISTOF LAMPART

 

REGION. Normalerweise erwecken Fälle im abgekürzten Verfahren nur bei jenen Interesse, die von Amtes oder Berufes wegen dabei sein müssen oder wollen: also nebst den Angeklagten vor allem Juristen und Journalisten. Das war am Dienstagabend aber anders.

Stimmung leicht gereizt

Am Bezirksgericht Münchwilen fand sich ein halbes Dutzend Personen ein, die allesamt vom kriminellen Duo auf seiner Diebestour durch den Hinterthurgau «besucht» worden waren. Ein Garagenbesitzer, der Vertreter einer Politischen Gemeinde, ein Herr vom Dorfmarkt sowie drei weitere Zuschauerinnen. Die Stimmung im Foyer, wo alle vor der Verhandlung und während der Urteilsfindung zu warten hatten, war leicht gereizt. Ein Herr brachte es im Gespräch auf den Punkt: «Ich wünsche mir, dass die beiden für den Seich, den sie gemacht haben, sitzen müssen.»

Naiven Eindruck vermittelt

Mit den «beiden» waren zwei 23jährige Schweizer – der eine Schüler, der andere Akkordschaler – gemeint, die gemeinsam im Hinterthurgau Einbrüche verübten und an der 1.-Mai-Feier in Zürich vermummt randalierten, indem sie mit Steinen und Flaschen um sich warfen sowie Böller zündeten. Die Angeklagten machten im Foyer eine locker-naiven Eindruck. Fast so, als wäre das Urteil, das in Kürze folgen sollte, nur halb so schlimm – was es mitnichten ist: 18 beziehungsweise 15 Monate lautet das Verdikt. Die Probezeit wurde beim Schüler auf zwei, beim Bauarbeiter auf vier Jahre festgelegt. Dass beim Akkordschaler eine so lange Probezeit ausgesprochen wurde, hängt auch damit zusammen, dass der FC-Zürich-Fan wiederholt in Stadien Böller zündete, eine Marihuana-Indoor-Plantage in Eschlikon betrieb und zwischen Juli 2011 und Juli 2014 rund 3,6 Kilo Marihuana kaufte und zu Hause konsumierte.

Mit Tötung gedroht

Der Schüler hatte hingegen wohl das Glück auf seiner Seite, dass er als Erwachsener zuvor noch keine Straftat begangen hatte. Im Juni 2014 hatte er Beamte und Angestellte des RAV Frauenfeld bedroht. So hinterliess er einer Mitarbeiterin auf der Combox die Nachricht, dass er nun «auf dem Amt vorbeikommen und ihr den Hals aufschlitzen» werde. Einem andern RAV-Mitarbeiter gegenüber äusserte er, dass er alle Mitarbeiter des Amts «umlassen» würde. Zu schlechter Letzt warf er einen gezündeten Böller ins RAV-Büro, der jedoch nicht explodierte.

Die letzte Chance

Im Gerichtssaal gaben sich die Angeklagten wortkarg, beantworteten Fragen nur einsilbig oder gar wiederholt durch Kopfnicken, so dass die Richterin auch schon mal eine Mahnung aussprach: «Es reicht nicht, wenn sie nicken – Sie müssen antworten!» Die Richterin machte dem Bauarbeiter in der Urteilsbegründung unmissverständlich klar, dass dies seine letzte Chance sei, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen. Der bereits Vorbestrafte zeigte sich reuig. Gegenwärtig habe er sich von seinem Beruf extra eine Pause genommen, um Zeit für sich zu haben, damit er sein Leben wieder auf die Reihe bringen könne, erklärte er. Zugleich habe er vom bisherigen Arbeitgeber die Zusicherung, wieder bei ihm arbeiten zu können. Glück hatte der Mann auch, weil eine im August 2014 bedingt ausgesprochene Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 110 Franken nicht widerrufen wurde.

Keine konkrete Idee

Nicht ganz so klar scheint die Perspektive beim Schüler zu sein, der eine IV-Rente beantragt hat. Er hoffe, dass die IV ihm eine Lehre ermöglichen werde. Er wolle «einfach schaffen», vorzugsweise in der Logistikbranche. Eine konkrete Idee, wie er sich seine Zukunft vorstellt, äusserte er hingegen nicht. Er suche «etwas Temporäres», sagte er. Doch habe er sich nicht bei einem Personalvermittlungsbüro angemeldet. Zudem gab er auf Nachfrage an, dass er sich nicht bei den von ihm bedrohten Personen entschuldigt habe, da er sie ja eigentlich gar nicht kenne. Der junge Mann vermittelte im Gerichtssaal den Eindruck, ziemlich ziellos durchs Leben zu irren.

Happige Kosten

Zusätzlich zu den bedingten Haftstrafen muss der Schüler 1000 Franken, der Bauarbeiter 1500 Franken Busse bezahlen oder ersatzweise eine Freiheitsstrafe von 10 beziehungsweise 15 Tagen antreten. Ebenso müssen sie Gerichts- und Untersuchungskosten sowie zurückzuzahlende Anwaltskosten von 11 800 Franken (Schüler) beziehungsweise 10 300 Franken (Schaler) bezahlen.