Aktuell

<  zurück zur Übersicht

Junger Nazi will nicht in die Klinik zurück

Donnerstag, 10. November 2011

In Weinfelden stand am Dienstagnachmittag ein junger Nazi wegen einer Vielzahl von Delikten vor Gericht. Dabei ging es primär um die Frage, ob der Mann bei einem Schuldspruch eine allfällige psychotherapeutische Massnahme stationär oder ambulant absolvieren muss.

CHRISTOF LAMPART

Jedes Mal, bevor der junge Mann der Gerichtssaal betritt, stampft er noch einmal mit einem Fuss hart auf. Wie um Präsenz zu markieren. Wie um zu sagen: hier bin ich, so bin ich. Akzeptiert mich oder lasst es sein.

Von der Polizei verfolgt?

Vielleicht muss das so sein,  wenn man glaubt, drei Jahre lang „unschuldig“ in der Psychiatrischen Klinik eingewiesen gewesen zu sein. Das wiederholt der 23-jährige Schweizer aus Kreuzlingen, der sich selbst einen „Schweizer Nazi“ nennt und Hitler als „meinen Führer“ bezeichnet, des Öfteren im Verlaufe des Nachmittags, den er vor dem Weinfelder Bezirksgericht verbringt. Tatsächlich hat der gelernte Autolackierer, der gegenwärtig arbeits- und somit auch einkommenslos ist, den Grossteil der letzten drei Jahre stationär in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen verbracht. Auch jetzt ist er gegenwärtig wieder da, doch hofft er demnächst auf Entlassung. Dann wolle er ins Ausland, nach Deutschland oder Kroatien ziehen, denn hier habe er keine Chance, da ihn die Polizei als bekennenden Nazi ständig wegen „Kleinigkeiten“ in die Klinik einweise, klagte er.

Faust ins Gesicht

Wegen einer Vielzahl dieser  „Kleinigkeiten“ musste er sich am Mittwoch nun vor Gericht verantworten: wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung, Tätlichkeiten, mehrfache Sachbeschädigung, mehrfache Beschimpfung, Drohung, Hausfriedensbruch, Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Hinderung einer Amtshandlung. So soll er unter anderem drei Personen, darunter seiner Schwägerin, bei der verschiedenen Gelegenheiten ohne Warnung die Faust ins Gesicht geschlagen haben, eine Fensterscheibe eines Lokals eingeschlagen, eine Ausnüchterungszelle verwüstet und ein Hakenkreuz ans Weinfelder „Firehouse“ geschmiert haben. Auch habe er mehrfach (Amts-)Personen durch schwere Drohungen in Angst und Schrecken versetzt.

Noch eine letzte Chance?

Die Staatsanwaltschaft fordert eine unbedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 30 Franken sowie eine Busse von 300 Franken (bei Nichtbezahlen dieser fünf Tage Ersatzfreiheitstrafe). Dabei sollen ihm vier Tage Haft und zwei Drittel der in  der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen verbrachten Zeit,  also 194 Tage, angerechnet werden. Zudem stellte die anwesende Staatsanwältin den Antrag auf die Anordnung einer stationären Massnahme. Doch in die „Psychi“ will der Mann nicht zurück. Er habe sich gebessert und gehe nun auch in die Kirche, erzählt er. Und auch sein Pflichtverteidiger hebt hervor, dass dieser nun – mit einer Ausnahme – nun doch schon über drei Jahre lang sauber geblieben sei, weshalb doch eine ambulante Therapie angebracht wäre. Aufgrund der Mittellosigkeit des Mannes sei auch die Strafe auf das Mindestmass von 150 Tagessätzen zu 10 Franken reduzieren und auf eine Busse zu verzichten. Die Schuld seines Mandanten bestritt der Verteidiger in den meisten Fällen nicht. „Wenn er diese Chance nicht nutzt, dann wird er die Konsequenzen zu tragen haben“, erklärte er. Das Urteil wird den Parteien entweder schriftlich oder mündlich eröffnet.