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Immer weiter runter – der neuen Heimat entgegen

Montag, 22. August 2011

Wer schon immer einmal wissen wollte, was zum Beispiel ein regierungsamtlicher Erlass durchmachen muss, bis er in „Pension“ gehen darf, der hatte am Wochenende Gelegenheit dazu. Lud doch das Staatarchiv in Frauenfeld zum Tag der offenen Türe ein.

CHRISTOF LAMPART

Das Staatsarchiv ist nicht nur das geschichtliche Gewissen des Thurgaus, nein, es ist auch wunderbar kühl. Und somit mitunter ein Publikumsrenner. Zumindest an diesem Wochenende, an dem Besucher sozusagen im Minutentakt das ehemalige Zeughaus in Frauenfeld betraten und – dabei in eine alles andere als staubtrockene Welt eintauchten. Was hier drin geboten wurde, war Infotainment pur.

Immer weiter runter

Dass dem so war, war auch dem Vorstadttheater Frauenfeld zu verdanken, welches gegenwärtig seinen 30. Geburtstag feiert und dies zugleich mit einem Staatsarchiv-Projekt verband. Und so wurde man nicht nur als Besucher, sondern zugleich als „eingegangenes Dokument“ grob erfasst; eine Wäscheklammer zeigte einem an, dass man nun wohl das Heiligtum von Staatsarchivar Salathe betreten hatte, dies aber so schnell nicht mehr verlassen würde. „Sie gehören jetzt uns“, raunt die Dame im weissen Kittel einem verschwörerisch-unheilvoll zu. Doch das Wetter draussen ist einfach zu heiss und die Räume so wunderbar kühl, als das dieser Satz für Panik unter den Besuchern zu sorgen vermöchte. Weiter, immer weiter geht es runter. Einfach den Verkehrsschildern nach. Wohin weiss noch kein „Dokument“, doch die Aussicht auf neue Erfahrungen und schliesslich auf eine „neue Heimat“ wartet, lässt alle freudig voran schreiten.

Vom Tod umgeben

Hell ist’s hier drinnen, kühl und aufgeräumt. Ein Ort, wo man sich als Dokument irgendwie sofort wohl fühlte. Wären da nicht noch andere (Zwischen-)Räume, die man beim Vorbeihasten flüchtig, aber intensiv wahr nimmt und einen eher nachdenklich stimmen. Da sortiert zwischen zwei Regalreihen der Tod Bücher ein. Und in einem anderen liegen Raum liegen auf dem Boden lauter geshrederte Papierstreifen. Und einem wird schnell mal klar, dass ein Archiv zwar eine tolle Lagerstätte ist, der Zerfall aber auch bei der besten Lagerung, mitunter auch mutwillig, voran schreitet. „Momento mori“ in Reinkultur also.

Lustig und informativ

Die Schauspielerinnen und Schauspieler verstehen ihr Handwerk und liefern dort Unterhaltung, wo die reine Information zu trocken wird. Handkehrum ist das Archivpersonal immer dann mit Rat und Richtigstellung zu Werk, wenn die Fantasie der Theaterleute zu bunte Blüten treibt. Spass macht es allen und viele räumen ein es sich „nicht so lustig vorgestellt“ zu haben, wie eine alte Dame erklärt.  Die Leiterin des Fototechnisches Dienstes, Claudia Privitera, ist hingegen erstaunt, wie wissbegierig die Leute sind. „Viele wollen nicht nur grobe Informationen haben, sondern auch Details wissen“, so Privitera.

„Ihr Gesicht spricht Bände!“

Die Gründe, warum sie gekommen sind, sind vielfältig. „Ich bin während des Umbaus immer hier vorbei gekommen, wenn ich zur Arbeit musste. Da wollte ich jetzt nun mal sehen, wie es von Innen aussieht“, so Regula Schönenberger aus Thundorf. Und Ernst Huber aus Horben wollte  mal nachschauen, was „aus dem ehemaligen Zeughaus und Kreiskommando geworden ist.“ Doch egal, welches ihre Beweggründe waren – erfasst wurden sie alle. „Sie erhalten jetzt ihre Signatur“, wurde den Leuten beschieden und – ihnen als Präsent ein Bleistift in die Hand gedrückt. Natürlich wurde den „Dokumenten“ einem auch zugleich ihre neue Heimat mitgeteilt.  

Ach ja: der Schreibende wurde, nach einem kurzen, prüfenden Blick  ins Antlitz („ihr Gesicht spricht Bände!“), ins Regal „Militärgeschichte“ eingeordnet und abgelegt. Und das, obwohl er doch eigentlich nur den Zivilschutz geleistet hat… Kann es vielleicht also sein, dass beim Staatsarchiv Thurgau doch nicht alles so akkurat zu geht, wie es der schöne Bau einem vorgaukelt?