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"Ich lese, also bin ich frei"

Dienstag, 10. April 2012

Jyoti Guptara sprach vor der Erfa-Gruppe Weinfelden. Er geizte dabei nicht mit gesellschaftskritischen Denkanstössen, Lösungen konnte aber auch er nicht bieten.

CHRISTOF LAMPART

WEINFELDEN. Aufgewachsen in einer bildungsbeflissenen Familie, war es Jyoti Guptara anzumerken, dass er sich leicht damit tut, Themen aufzugreifen und zu erzählen. Denn nichts anderes macht er als Autor.

Innere Konflikte

Dennoch wollte Guptara, der als Elfjähriger zusammen mit seinem Zwillingsbruder Suresh angefangen hatte, die mittlerweile vollendete «Insanity»-Trilogie zu schreiben, am Dienstagabend im Weinfelder «Trauben» vor über 60 Gästen nichts davon wissen, dass Fantasy nichts mit dem realen Alltag zu tun habe. Denn seinen Romanen gehe es nicht um möglichst blutige Schlachten, sondern um die inneren Konflikte der Protagonisten – und darum, wie wie sie diese lösten.

Kritik am Schulsystem

Als Schriftsteller sei er gewissermassen ein «Gott», der Gesellschaften erfinde, weshalb er sich immer wieder überlege, «warum die Strukturen bei uns so sind, wie sie sind», sagte Guptara. Und schloss für sich, dass «in der Bildung vieles im Argen» liege. Denn das Schulsystem sei so aufgebaut, dass Kinder nicht ihre Talente entfalteten, sondern vor allem funktionierten.

Phantasie verdrängt

In der Schule werde viel Unnützes gelehrt, und der Gebrauch der Phantasie zunehmend an den Rand gedrängt. Dabei könnte gerade die Phantasie vielen Menschen Auswege aus der Bildungsmisere und Lebenskrise bieten. «Denn viel lernen und hart arbeiten bringt vielen Leuten immer weniger», argumentierte Guptara.

«Was nützt einem Spanier ein Master Degree einer guten Uni, wenn er nachher – wenn überhaupt – als Kassier in einem Supermarkt arbeitet, weil es nicht genug Stellen gibt?», fragte Guptara. Wer frei sein wolle, müsse viel lesen – nicht umsonst sei auf Lateinisch das Wort für Freiheit und Buch dasselbe – «Libre».

Unabhängiger Geist

Kinder sollten, so Guptara, in aufeinanderfolgenden Phasen vor allem in Grammatik, Logik und Rhetorik geschult werden, denn nur so erlange der Mensch einen unabhängigen Geist, der zu Aussergewöhnlichem befähigt sei. Frei sei also nicht, wer bereits alles habe, sondern derjenige, der für sich etwas gewänne. Jene seien es auch, welche die Gesellschaft positiv beeinflussten.

Reale Werte schaffen

Der Kapitalismus müsse nicht abgeschafft, aber reformiert werden, führte der Referent aus. Denn das, was wir als Kapitalismus bezeichneten, sei nichts anderes als ökonomischer Eskapismus. «Wir schaffen keine neuen, echten Werte, sondern finanzieren alles nur durch Schulden.»

Deshalb setzt sich Jyoti Guptara für eine sogenannte «Short-and-long-term»-Aktie ein. Bei einer solchen Aktie erwerbe der Käufer zwei Aktien. Die eine könnte er schnell wieder abstossen, die andere müsste er aber eine bestimmte Zeit behalten. «Auf diese Weise wäre gewährleistet, dass der Käufer nicht nur gierig ist, sondern auch in ein Unternehmen investieren möchte. Dadurch würden reale Werte geschaffen, von denen alle Menschen profitieren könnten», erklärte Guptara.