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Hoffentlich ist meine Frau noch zu Hause

Sonntag, 27. Februar 2011

Wie fühlt es sich an, wenn man einer Frau bei ihrer „midlife crisis“ zusieht? Wer wollte, konnte sich am Samstagabend bei „Harper Regan“ in der Wiler Tonhalle ein Bild davon machen.

CHRISTOF LAMPART

Am Ende fällt der imaginäre Vorhang und – lässt einen ein klein wenig ratlos zurück. Denn was war eigentlich die Botschaft, welche der Dramatiker Simon Stephens mit jener Milieuschilderung aus dem grauen englischen Mittelstands-Alltag seinem Publikum vermitteln wollte?

Von einem Abgrund zum nächsten

Hier die Fakten: die 41-jährige Büroangestellte Harper Regan riskiert ihren gutbezahlten Job, mit dem sie ihre Familie über Wasser hält, um ihren im Sterben liegenden Vater noch einmal zu sehen. Also reist sie Hals über Kopf von London nach Manchester. Doch sie kommt zu spät. Und da fängt das Drama eigentlich erst an, denn sie flippt aus und stürzt ab. Und zwar ebenso, wie man es tut, wenn man in seinem ganzen Leben nur Befehle ausgeführt und seine eigenen Bedürfnisse verdrängt hat. Was macht also die emanzipierte Frau von heute? Sie macht einen auf „Mann“ und vermöbelt als erstes in einer Bar den schmierigen Journalisten Mickey und klaut seine Lederjacke, in dem frau fesch auszusehen wünscht. Auch ist’s praktisch, dass es Internetcafés gibt und eine schnelle Nummer im Hotelzimmer schnell arrangiert ist. Ohne Verpflichtung, aber mit viel Gefühl – und ganz viel danach folgender innerer Leere. Ein heisser Flirt mit einem 17-jährigen Schüler komplettiert die 48-stündige, physische und psychische Irrfahrt der Hausfrau a.D. und lässt das Stück von einer Überspitzung zur anderen hüpfen. Hier entwickeln sich keine psychischen Abgründe, sondern sie tun sich unvermittelt vor einem auf. Einer nach dem anderen. Irgendwelche Kompromisse? Nicht mit Harper Regan! Und als Zuschauer guckt man sich das Ganze an und denkt: Aha, so ist das also heute. Muss doch gleich mal schauen, ob meine Frau noch zu Hause ist…

Starker Beginn, schwaches Ende

Die Inszenierung (Regie: Sabine Mitterecker) der Theatergastspiele Kempf aus München veranschaulicht in vorwiegend düsteren Farben den inneren Zwiespalt, in der sich Harper Regan (Marion Kracht) befindet. Da gibt es den hellen „Glam“, dort das dunkle Nichts, in dem beispielsweise die Begegnung mit dem 17-jährigen stattfindet. Vier grosse Drehtüren im Bühnenhintergrund stehen für das in Schwung gekommene Leben Harpers; ob es für sie selbst ein Auf- oder ein Abschwung bedeutet, wird bis zum offenen Ende nicht deutlich. Und das ist schade, denn irgendwie hatte man während des ganzen Stücks das Gefühl, dass die Handlung auf eine Katastrophe hinaus laufen würde. Doch da war am Ende nichts. Höchstens ein kleiner Anflug von Reue und Einsicht. Und das war dann doch zu schwach für einen Abend, der vielversprechend begann, am Ende jedoch sehr an Spannung einbüsste.