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Hemmschuh für die Wirtschaft

Dienstag, 14. Februar 2012

Der starke Franken bremst gegenwärtig die Schweizer Wirtschaft. Lähmen tut dies jedoch schon seit Jahren auch die Bürokratie. Das jedenfalls ist die Ansicht des Güttinger Unternehmers Thomas G. Nägeli.

CHRISTOF LAMPART

GÜTTINGEN. Während des Interviews mit Thomas G. Nägeli, dem CEO der auf Lösungen aus Metall und Composite (Kohlenfaserstoff) spezialisierten Nägeli Swiss AG, hängen dunkle Wolken über dem Bodensee. Bleiern grau schlagen die Wellen schwer ans Seeufer. Einem ähnlich schweren Wellengang sieht sich Nägeli schon seit Jahren im Kampf gegen eine seiner Meinung nach zunehmend ausufernde Bürokratie ausgesetzt.

Wer dient eigentlich wem?

Tatsächlich fühlt sich der studierte Maschineningenieur und Betriebswirt, der das Familienunternehmen zusammen mit seinem Bruder Christoph und seinem Sohn Niklaus führt, als Unternehmer von den Staatsdienern zusehends im Stich gelassen. «Eigentlich sollten ja die Staatsangestellten dem Volk dienen. Ich habe aber den Eindruck gewonnen, dass wir Unternehmer da sind, um dem Staat zu dienen.» Nägeli sagt dies in einem unaufgeregten Ton.

Darin schwingt viel von der zähen Beharrlichkeit mit, die wohl jemand braucht, der Produkte herstellt, welche alleine schon von der Planung her mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre beanspruchen. Wer in solchen Dimensionen lebt und arbeitet, dem ist zwar Genauigkeit ein Muss, kleinkariertes Denken jedoch fremd.

20 / 80-Regel

Nachdenken pflegt Nägeli jedoch intensiv und gerne. Dies vor allem dann, wenn er zur Lösung eines Problems beitragen kann. Mühsam werde es nur, betont Nägeli, wo man immer wieder gegen bürokratischen Perfektionismus anrenne. «Es kommt mir vor, wie wenn der Staat die 20 / 80-Regel nicht kennt.» Diese besagt, dass man 20 Prozent an Aufwand braucht, um 80 Prozent des beabsichtigten Ergebnisses zu erzielen. Für die restlichen 20 Prozent benötige man jedoch die übrigen 80 Prozent an Aufwand, was das Ganze bei der Betrachtung des Verhältnisses Aufwand/Ertrag ineffizient macht. Die letzten wenigen Prozente verbrauchen wesentlich mehr Geld, als dadurch je eingenommen werden kann. «Bei uns will die Bürokratie nicht nur 90 oder 95 Prozent aller Details regeln, sondern stets 100 Prozent. Und das macht den Staatsapparat extrem schwerfällig», so Nägeli. Er selbst müsse teilweise stundenlang komplizierte Zahlen zusammentragen und Fragebögen ausfüllen, nur um geringe vierstellige Summen von bezahlten Abgaben zurückerstattet zu erhalten. Diese Zeit würde er lieber zum Nutzen seiner Kunden aufwenden. Für Nägeli steht fest: «Wer nach Perfektion strebt, handelt nicht ökonomisch; und unser Staat will perfekt sein.»

«Zehn Jahre wären genug»

Des Weiteren beschäftige sich die Verwaltung gerne mit sich selbst – und arbeite damit an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei. Wäre er Monarch für einen Tag, Unternehmer Thomas Nägeli wüsste schon, wo er im Bürokratie-Dickicht die Schere ansetzen würde.

«Ich bin der Meinung, dass man bei reinen Verwaltungsjobs der öffentlichen Hand sozusagen eine Amtszeitbeschränkung einführen sollte. Zehn Jahre wären meines Erachtens genug, damit der Bezug zur realen Wirtschaft nicht verloren geht», will Nägeli auch hier Nägel mit Köpfen machen.