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Hausärzte füllen die Lücke

Donnerstag, 8. August 2013

Viele Kantone klagen über einen eklatanten Mangel an Kinder- und Jugendärzten. Auch im Thurgau scheint es zumindest statistisch ein wenig mit der Versorgung zu hapern. Doch in der Praxis sieht das Ganze ein wenig anders aus.

CHRISTOF LAMPART

Nimmt man beispielsweise die Webseite www.doktor.ch und sucht danach, wie viele Kinderärzte sich zwischen Diessenhofen und Horn und zwischen Kreuzlingen und Fischingen niedergelassen haben, so ergibt sich ein erstaunliches Bild.

Gegenwärtig sind im ganzen Kanton Thurgau 16 Kinderärzte niedergelassen. Diese verteilen sich vor allem auf Frauenfeld und Kreuzlingen; in diesen Orten führt das Online-Verzeichnis jeweils fünf Pädiater auf. Die Restlichen verteilen sich auf Romanshorn (zwei), Arbon, Steckborn, Tägerwilen und Weinfelden (je einen).

10000 Einwohner je Pädiater

Was für den Laien an und für sich wie eine ganz passable Grundversorgung im Bereich «Kinder- und Jugendärzte» aussieht, relativiert sich jedoch, wenn man weiss dass es eine Faustregel gibt, wonach ein Kinderarzt auf 10 000 Einwohner als eine «gute Versorgung» gilt. Doch der Kanton Thurgau zählt gegenwärtig etwas über 250 000 Einwohner, womit eigentlich ein Bedarf an 25 Kinderärzten, welche alle 100 Prozent arbeiten, vorhanden ist. Und zu schlechter Letzt kommt noch hinzu, dass von den 16 Kinderärzten im Thurgau einige nur auf Teilzeitbasis arbeiten, womit die Zahl der kleinen Patienten weiter zunimmt, die ein Kinderarzt zu betreuen hat. Zumindest von Frauenfeld ist bekannt, dass einige Pädiater gegenwärtig keine neuen Patienten mehr aufnehmen.

«Futterneid» in Amriswil?

Auffallend ist jedoch, dass es weder in der Stadt Amriswil mit ihren 12 400 Einwohnern, noch im ganzen Bezirk Münchwilen mit rund 43 000 Einwohnern einen Kinderarzt gibt. Während sich im Hinterthurgau das Ganze noch irgendwie mit der geographischen Lage zwischen den beiden Städten Frauenfeld und dem st. gallischen Wil (sechs Kinderärzte) plausibel erklären lässt, ist der Fall in der viertgrössten Thurgauer Gemeinde, Amriswil, anders gelagert. Wie der Weinfelder Pädiater und gegenwärtige Präsident des Grossen Rates des Kantons Thurgau, Ulrich Müller (CVP), im Gespräch erläuterte, habe es schon seit Jahrzehnten keinen Kinderarzt in Amriswil gegeben, weil die Hausärzte dieses Segment selber betreuen wollen. Für Müller, der seit 31 Jahren in Weinfelden praktiziert und dabei «sehr glücklich» ist, kommt das nicht überraschend, denn «wer will sich schon an einem Ort niederlassen, wo er von den Kollegen nicht willkommen geheissen wird?», fragt Müller rhetorisch.

Hausarzt behandelt auch Kinder

Tatsächlich sind es gerade die Hausärzte, welche im Thurgau den Mangel an niedergelassenen Pädiatern auffangen. «Viele Hausärzte behandeln schon seit jeher ganze Familien, also auch die Kinder. Im Grunde genommen können wir so die Versorgung mehr als nur gerade sicher stellen», erzählt Müller. Er selber habe immer genug zu tun gehabt. Und oft sei sein Berufsalltag auch bedeutend länger als bei vielen anderen Berufstätigen. Doch das habe ihm nie etwas ausgemacht, betont Müller. «Einen Patientenstopp hat es bei uns noch nie gegeben. Da arbeite ich lieber ein bisschen länger», sagt Müller und lacht.