Aktuell

<  zurück zur Übersicht

Gerechtigkeit heisst nicht umverteilen

Montag, 12. September 2011

„Entsteht der Friede tatsächlich aus Gerechtigkeit?“ Dies war nur eine von vielen Fragen, mit denen sich SVP-Kantonsrat Hermann Lei am Sonntag im Rahmen der traditionellen Besinnung zum Bettag des „Schweizerischen Protestantischen Volksbund“ in Ermatingen auseinander setzte.

CHRISTOF LAMPART

Der „Schweizerische Protestantische Volksbund“ lud im Anschluss an einen Gottesdienst in der paritätischen Kirche Ermatingen zum Referat ein. Hermann Lei, Rechtsanwalt, bürgerlicher Politiker und als Mitglied der evangelischen Landeskirche Thurgau „nicht besonders aktiv“, sprach zum Thema „Christen und Politik“.

„Kirche soll nicht politisch sein“

Klar sollten Christen Politik betreiben – er tue es ja auch –, so Lei. Allerdings sollten sie es nicht tun, weil sie Christen, sondern weil sie Mitglieder der Gesellschaft seien. Die Kirche hingegen solle sich auf ihr Kerngeschäft – der Verbreitung des christlichen Glaubens im In- und Ausland – beschränken und nicht politisch tätig sein, indem sie beispielsweise Entwicklungshilfe betreibe. Die Forderung der Kirche nach Gerechtigkeit und Frieden für alle sei, so Lei „zwar schön“, doch dürfe man zumindest daran zweifeln, ob der Frieden durch Gerechtigkeit entstünde oder ob es nicht doch das „Böse schlechthin“ auf Erden gebe. Sowieso sei „Gerechtigkeit“ ein kaum fassbarer Begriff – das wisse er als Anwalt, denn „jeder versteht darunter etwas anderes.“

Gegen Gleichmacherei

Der Zeitgeist verstünde unter „Gerechtigkeit“ „Gleichheit“ – und auch dieser Begriff werde unterschiedlich interpretiert. Tatsache sei, dass zurzeit überall in Europa die Sozialstaaten, welche eine Umverteilung des Reichtums von oben nach unten anstrebten, zusammenbrächen. „Ich wende mich entschieden gegen die Auffassung, der Umverteilungsstaat europäischer Prägung sei mindestens dem ähnlich, was Christus gefordert hat“, so Lei.  Er könne nicht erkennen, was daran falsch sein solle, wenn eine Familie für die nächste Generation Vorsorge treffe. Es sei schon bemerkenswert, dass für die Kirche sämtliche Minderheiten schützenswert seien – „nur nicht jene, die arbeiteten“, wandte sich Lei gegen die Gleichmacherei.

Christliche Werte ja, Bibel-Politik nein

Wolle man aktive Politik machen, so müsse man klar an der Trennung von Staat und Religion festhalten, forderte der SVP-Kantonsrat aus Frauenfeld. Schon Reformator Martin Luther habe vor einem Staat gewarnt, der den Anspruch erhebe, auch die Seelen zu besitzen, so Lei.  Gerade die Intellektuellen seien in den letzten Jahrzehnten für radikale Zeitgeistströmungen wie Faschismus und Sozialismus sehr empfänglich gewesen seien, während das gemeine Volk meistens eine gesunde Distanz zu diesen Ideen bewahrt habe. Genauso tue man gut daran, als „classe politique“ keine Politik zu verfolgen, die auf den Geboten der Bibel beruhe. Hingegen sei die christliche Kultur durchaus dazu geeignet, dem Politiker von heute „Hinweise“ zu geben, „wie wir uns in der Politik verhalten sollen“, so Lei.