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Gebetsrolle verblüfft Experten

Mittwoch, 29. Oktober 2014

Am Bestimmungstag der Thurgauer Museen brachten fünfzig Besucher überdurchschnittlich vielfältige Objekte mit. Bei den Barockengeln, Schwertern und Bibeln handelt es sich meist um Erbstücke mit unbekannter Herkunftsgeschichte. CHRISTOF LAMPART

FRAUENFELD. Eine superb erhaltene Schriftenrolle aus Pergament lässt die Experten zuerst rätseln und dann staunen. Der Leiter des Archäologischen Museums, Urs Leuzinger, kommt auf die Idee, dass die unlesbaren Schriftzeichen koptische Buchstaben sein könnten. Eine kurze Internetrecherche später zeigt sich, dass das wertvolle Stück tatsächlich eine äthiopische Gebetsrolle aus dem 18. oder 19. Jahrhundert ist. «Mein Vater war Kunsthändler, so dass ich von ihm noch einige Dinge habe, von denen ich nicht weiss, woher sie stammen», erklärt Cornelia Mayer aus Horn.

Altes Schwert mit neuem Griff

Ihr Mann präsentiert derweil ein verwittertes Kurzschwert, dessen moderner Griff so gar nicht zum stumpfen Metall passen mag. «Das Schwert hätte vom Alter als auch von der Machart her bei der Schlacht um Troja dabei sein können», erklärt der Experte – und der Laie staunt. Der überaus moderne Griff dürfte hingegen einfach der Versuch eines gewieften Händlers dargestellt haben, das rund 3100 Jahre alte Stück ein wenig «aufzuwerten».

100 Objekte bestimmt

Archäologische Funde, rare Kunst, uralte Fossilien oder doch nur Schrott? Diese Frage stellten sich am Samstag rund 50 Besucher des Bestimmungstags der Thurgauer Museen. Im kantonalen Naturmuseum in Frauenfeld liessen sie ihre Schätze von Archäologen, Historikern, Kunsthistorikern, Volkskundlern, Biologen und Archivaren bestimmen. Dabei wurden an die 100 Objekte gezeigt und zum grössten Teil erfolgreich bestimmt, was auch den Hausherrn, den Direktor des Naturhistorischen Museums, Hannes Geisser, freut. Er bilanzierte am Samstagnachmittag zufrieden: «Es war ein rundum gelungener Anlass für uns.»

Eine überdurchschnittliche Vielfalt an Objekten war dabei: vom antiken Teddybären über archäologische Funde und historische Säbel bis zu Top-Objekten wie das Modellmöbel eines Kunstschreiners aus dem 19. Jahrhundert oder eine Bibel aus der Zeit um 1770.

Schlachtenatlas von 1843

Ein anderer Sammler packt eine Mappe mit feinen japanischen Zeichnungen aus, die einst der Schwiegervater vor langer Zeit einmal erworben hat. Unzweifelhaft handelt es sich um eine in rund sechs Teile gegliederte Sammlung im westlichen Stil um 1900.

Ebenso sehenswert ist ein Schlachtenatlas aus dem Jahr 1843, in dem die wichtigsten Schlachten ab dem Jahr 900 in Zentraleuropa dargestellt sind – aufwendig mit kolorierten Kupferstichen illustriert und ergänzt mit diversen militärischen Angaben.

«Ich bezweifle zwar, dass die Schlachten wirklich ganz genau so abliefen», schätzt der Bücherexperte Erich Trösch. «Aber das hier ist auf jeden Fall ein aussergewöhnliches Werk, das zu seiner Zeit sowohl wissenschaftlich als auch für militärische Übungszwecke von grossem Wert gewesen sein dürfte.»

150jähriger Barockengel

Nicht so alt, wie gedacht, ist hingegen der Barockengel, den Ronald Weber aus Hüttwilen mitgebracht hatte. Dass sein Stück gerade einmal 150 Jahre alt sein soll, ficht ihn nicht an. «Ich habe den Engel ja nicht als Wertanlage erworben, sondern einfach, weil er mir gefällt. Ich bin hierher gekommen, weil ich mir erhofft hatte, dass ich noch etwas mehr darüber erfahren könnte.»