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Frischer Alkohol für alte Tiere

Sonntag, 20. Oktober 2013

Früher waren sie die Stars eines jeden naturhistorischen Museums. Heute gammeln viele Nasssammlungen vor sich hin. Nicht so in Frauenfeld, wo die Biologin Isabel Seier damit beschäftigt ist, die eingelegten Tiere zu erhalten.

CHRISTOF LAMPART

 FRAUENFELD. Tatort Naturmuseum Thurgau. Es geht einige Treppenstufen hinunter, dann wird ein paarmal abgebogen. Hinter einer Holztür, die so aussieht, als würde sie entweder zu einem Verlies oder einem Kartoffelkeller führen, befinden sich in einem spärlich beleuchteten Raum Regale. Und in diesen viele Gläser. Allesamt gefüllt und fachgerecht verschlossen. Aber weder Kompott noch Marmelade ist in diesen. «Es sind auch tatsächlich Äpfel und Birnen darunter», sagt Isabel Seier nach einem flüchtigen Blick ins Regal. Dass die Biologin aus Konstanz nicht näher darauf eingeht, hat wohl auch damit zu tun, dass der Inhalt der anderen Gläser bedeutend exotischer ist: Ratten, Schlangen, Chamäleons, skurrile Insekten sind dort eingelegt. Nicht in Aspik, sondern zum Beispiel in Alkohol. Einfach alles, was kreucht und fleucht und Biologen anfangs des 20. Jahrhunderts für die Forschung und das Publikum von Interesse hielten. Da stehen sie in Reih und Glied. Etwas verblasst, aber gut erhalten. Für beides sind der Alkohol und das giftige Formaldehyd verantwortlich. Und diese Flüssigkeiten gilt es fachgerecht aufzufüllen.

«Eine Wissenschaft für sich»

Wie das zu bewerkstelligen war, war der jungen Frau im Detail «gar nicht bewusst», als sie vom Direktor des Naturmuseums, Hannes Geisser, den Auftrag erhielt, die Nasssammlung wieder à jour zu bringen. «Ich dachte, dass ich einfach die Gläser aufmache, auffülle und danach wieder schliesse», schmunzelt Seier. Doch weit gefehlt, denn «wenn man sich damit beschäftigt, dann sieht man, dass hier eine ganze Wissenschaft dahintersteckt». Und das fängt nicht etwa bei der Frage an, welches Mittel man zur Konservierung braucht, sondern beispielsweise mit der Klärung des Sachverhaltes, wie man die Etiketten bedruckt und was man tun muss, damit die Schrift auch in der Flüssigkeit im Glas gut erhalten bleibt. Nachdem sie massenweise Fachliteratur gewälzt hatte, wusste Seier endlich eine Lösung: «Ich habe die Etiketten gebügelt, dann haftet die Druckerfarbe besser.» Zuerst muss die Biologin im Labor feststellen, mit welcher Flüssigkeit die Gläser gefüllt sind und in welcher Konzentration diese noch vorhanden ist – vorausgesetzt man bringt überhaupt den Deckel auf. Kaputtschlagen liegt selbstverständlich nicht drin. Da wird dann einfach mal alles ausprobiert: Föhn, Wasser, Eis – die ganze Palette. Ist der Deckel entfernt, so wird das Tier herausgezogen, der Alkohol gefiltert, das Glas gereinigt und dann wieder so aufgefüllt, dass die Alkoholkonzentration bei fachgerechten 70 Prozent liegt. Die meisten Gläser, allerdings nicht die alten Honiggläser, die sich auch darunter fanden, werden wieder verwendet.

«Theoretisch könnte man ein Tier schon eine Weile so lagern, aber auf die Dauer ist ein Glas mit Plastikdeckel nicht ausreichend, denn der Alkohol verdunstet und das Tier trocknet aus. Und das sollte bei einer Sammlung wie dieser auf jeden Fall vermieden werden.» Aus diesem Grund verwendet Isabel Seier viel Zeit darauf, Gläser zu suchen, welche ebenso fachgerecht wie bezahlbar sind. Bei einer Bestellung derartiger Spezialgläser unterschiedlichster Grössen können schnell ein paar tausend Franken zusammenkommen.

Befristet und unbefristet

Im Gegensatz zu den eingelegten Fröschen und Schlangen, welche dank ihr wieder quasi unbegrenzt dem Naturmuseum Thurgau erhalten bleiben, ist die Anstellung von Seier zeitlich befristet. Deshalb geniesst sie ihre Zeit im Museum sehr, denn die Ausstellung ist modern, die Kollegen nett und die Arbeit interessant. Zufrieden fügt Isabel Seier an: «Es ist toll hier – und ich geniesse meine Arbeit sehr.»