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Forscher warnen vor einer Klimahölle

Donnerstag, 20. November 2014

KREUZLINGEN. Die wachsende Weltbevölkerung müsse aus der Armutsfalle befreit werden. Denn mit Wohlstand und Bildung müssten klimaschädigende Faktoren bekämpft werden. Zwei Experten warnten in Kreuzlingen vor einem drohenden Klimakollaps. CHRISTOF LAMPART

Wenn die Menschheit im bisherigen Stil weitermache, fahre sie den Karren klimatechnisch in wenigen Jahren an die Wand. Im Rahmen der diesjährigen Kooperationsveranstaltung des Kantons Thurgau und der Universität Konstanz diskutierten Professorin Ulrike Lohmann (Leiterin des Instituts für Atmosphäre und Klima, ETH Zürich) und Professor Gerd Ganteför (Experimentalphysiker, Uni Konstanz). Beide gelten als Koryphäen auf dem Gebiet der Klimaerwärmung. Keine Kriege, besseres Klima Während Lohmann eine sofortige Senkung des CO2-Ausstosses forderte, um das Klima zu retten, sah Ganteför einen anderen Ansatz: Zuerst müsse man die rapide wachsende Weltbevölkerung aus der herrschenden Armutsfalle retten. Denn nur wenn ein gewisser Wohlstand und Bildung herrsche, würden klimaschädigende Faktoren wie etwa Kriege, eine hohe Geburtenrate oder umweltschädigende Produktionsbedingungen weitestgehend verschwinden. «Wenn wir nicht bei der Weltbevölkerung anfangen, dann bringt es auch nichts, wenn wir in der Schweiz oder in Deutschland die Energiewende schaffen. Denn das Klima macht nicht vor den Grenzen halt.» Aus diesem Grund dürfe man auch nicht die Wirtschaft durch verteuerte Energie zu sehr belasten, denn «diese führt zum Wohlstand und somit zur geringeren Belastung der Erde», sagte Ganteför. Gut, aber schnell ausgewaschen Die Klimaerwärmung, so Ganteför, könne mit dem Einbringen von kleinen «Staubteilchen», den sogenannten Aerosolen, gemindert werden. Auch Lohmann pflichtete im Prinzip bei, dass das Ausbringen von «künstlichen Aschewolken» den Anstieg des Klimas verlangsame, da die Aerosole einen Grossteil des Sonnenlichts reflektierten, bevor dieses die Erde erreiche, wo es dann zu Treibhausgas umgewandelt werde. Doch selbst wenn man das Problem technisch lösen könnte, sei es doch nach wie vor so, dass «Aerosole zwar wirksam sind, aber auch nach gut einer Woche vom Regen ausgewaschen sind», so Lohmann. Von trocken zu noch trockener Schon heute sei es praktisch fünf vor zwölf, wolle man das Ziel erreichen, die Klimaerwärmung auf zwei Grad zu beschränken. «Die Kosten dafür sind hoch, aber nur ein Bruchteil davon, was wir zahlen müssten, wenn wir so weitermachen wie bis anhin», warnte Lohmann. Denn ein Weitermachen wie bisher führe zum Abschmelzen der Polkappen, zu vermehrten Niederschlägen und längeren Dürren, zu intensiveren Stürmen und klimatisch extremeren Auswirkungen. Dort, wo es heute schon viel regne, werde es mehr regnen; dort, wo es jetzt schon trocken sei, werde es trockener. «Machen wir nichts, so haben wir im Jahr 2100 eine Klimahölle auf Erden», betonte Lohmann. Länder wie Deutschland oder die Schweiz würden zwar in bezug auf die Einsparungen an Kohlenstoffdioxid nur marginal zum klimatechnischen Turnaround beitragen können, doch ihr Vorangehen sei als Vorbild und Ermutigung für andere Nationen sehr wertvoll.