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Fluglärm-Protest «brettert» gegen Bern

Donnerstag, 3. November 2016

Bundesrätin Doris Leuthard habe ein Brett vor dem Kopf, wenn es um die gerechte Fluglärmverteilung gehe. Das sagen erboste Fluglärmgegner und protestieren. CHRISTOF LAMPART

 

In wenigen Tagen wird Bundesrätin Doris Leuthard viel «Holz» vor ihrer «Hütte» (Bundeshaus) vorfinden. Denn die Mitglieder des Bürgerprotests «Fluglärm Hinterthurgau» werden ihr und Bazl-Direktor Christian Hegner rund 400 Holzbretter aus Hinterthurgauer Wäldern schicken. Zusammen mit einem Protestschreiben, das den Titel trägt: «Ihr Brett vor dem Kopf macht uns Bauchweh! Und wütend!» In diesem nimmt der Bürgerprotest Stellung zum SIL-Objektblatt 2, das den Süden von Zürich bei der Verteilung des Fluglärms nahezu ausnimmt.

«Fast wieder auf Feld eins zurückgeworfen»

Der Frust sitzt tief bei Josef Imhof. Der Präsident des Bürgerprotests machte am Donnerstagabend an der Jahresversammlung keinen Hehl daraus. Die Publikation des SIL-Objektblattes 2 durch den Bund habe die Bewegung nach elfjährigem Kampf «fast wieder auf Feld eins zurückgeworfen», sagte Josef Imhof. Tatsächlich wird im SIL-Objektblatt 2, das voraussichtlich im Januar 2017 Gültigkeit erlangt, klar, dass der Süden von Zürich («Goldküste») bezüglich Verteilung des Fluglärms fast komplett ausgespart wird. Zwar werde in Zukunft auch über die Piste 16, den «Süden geradeaus» – die bevorzugte Variante der Flugsicherung Skyguide –, gestartet. Aber dies nur bei Bise und Nebel. Hinzu komme, dass in rund einem Jahr die Flüge nach dem Start über den «Süden geradeaus» schon bald nach Osten abschwenkten und dann über Turbenthal und den Hinterthurgau über die Region Wil geführt würden. «Der Süden wird einmal mehr auf Kosten der anderen geschont», echauffierte sich Imhof vor rund 100 Mitgliedern im Aadorfer Gemeinde- und Kulturzentrum. Dies geschehe nicht nur trotz der Proteste von mehr als 130 Gemeinden aus dem Norden, Osten und Westen von Zürich, sondern auch entgegen den ausdrücklichen sicherheitstechnischen und wirtschaftlichen Inputs von Skyguide (Schweizer Flugsicherung) und Flughafen Zürich.

Dass diese Variante mit Sicherheitsrisiken behaftet ist, bestätigte der Gemeindepräsident von Bachenbülach, Franz Bieger. «Starts Richtung Süden geradeaus sind sicherer, als wenn das Flugzeug nach dem Start abdreht und sich dadurch Start- und Durchstartrouten kreuzen», sagte Bieger. Er weiss, wovon er redet, war er doch im Militär Staffelkommandant und später Swissair-Flugkapitän und Fluginstruktor. Die Argumentation des Zürcher Südens, dieser sei dichter besiedelt als der Osten (Hinterthurgau) und dass deshalb der Fluglärm viel mehr Leute belästige, sei unsinnig. «Wenn sie über einem zehnmal weniger dicht besiedelten Gebiet zwanzigmal mehr Starts durchführen, dann ist die Lärmbelästigung eindeutig höher, weil konstanter», so Bieger.

«Kompletter Gugus!»

Bieger ist überzeugt, dass die vom Bund bevorzugte Variante dazu dient, die Verlängerung der Piste 28 durchzudrücken. Doch die Nachfrageprognosen, die dem SIL 2 zugrunde lägen, seien «abenteuerlich». Denn eine Pistenverlängerung dürfte für die nächsten 10 bis 15 Jahre aus Wirtschafts- und Sicherheitsüberlegungen eigentlich «kein Thema sein», sagte Bieger. Der Flughafen Zürich sei auf jährlich 370 000 Flugbewegungen ausgelegt. Doch diese Zahl sei seit dem Grounding der Swissair und dem Ende Zürichs als Haupt-Hub nie mehr auch nur annähernd erreicht worden.

Und nun soll er laut Prognoseberechnungen bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent wachsen? «Das ist kompletter Gugus», sagte Bieger. «Moderne Flieger befördern heute 20 Prozent mehr Passagiere als jene von vor zehn Jahren. Das ergibt dann gesamthaft weniger und nicht mehr Flugbewegungen.»