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Ein familiäres Ambiente wie eh und je

Sonntag, 8. Januar 2012

Draussen schneite es und im Inneren herrschte konsequentes Rauchverbot. Doch von solchen Umständen lassen sich echte Jasser nicht aus der Ruhe bringen, wenn es um das geht, was das Leben schön macht: nämlich um Stöck, Wyys und Stich.

CHRISTOF LAMPART

Den Präsidenten der Erlenackerschützen hat es erwischt. Doch allzu traurig scheint Hansruedi Müller darob nicht zu sein, denn „einer muss es halt tun“, erklärt er – allerdings nicht mit verkniffener Miene, sondern mit einem Lächeln im Gesicht. „Müssen“ meinte in diesem Fall am Samstag das „Einspringen“, wenn bei Turnierbeginn jemand fehlt. „Wir haben drei Leute in Reserve. Für den schlimmsten Fall, dass sich jemand anmelden möchte, aber dann die restlichen Leute für einen Jass fehlen sollten“, erklärt Martin Schär, welcher früher das Turnier organisierte.

Mit internationaler Beteiligung

Wie lange es das Preisjassen schon gibt, weiss niemand genau. Dass es sicher über 20 Jahre sind, da sind sich jedoch alle Befragten einig. Ursprünglich von der Schützengesellschaft Neukirch an der Thur ins Leben gerufen, um das Image der Schützen in der breiten Öffentlichkeit aufzupolieren, hat sich das Turnier mittlerweile als eigenständiger Fixpunkt eines so Manchen zum Jahresbeginn entwickelt. Zwei Drittel sind denn auch Stammspielerinnen und -spieler. Wie Ulrike Keller, welche nicht nur seit Anbeginn dabei ist, sondern auch jedes Mal von der Reichenau her anreist, womit die Deutsche quasi die „internationale Beteiligung sicherstellt“, wie ein Jasser im Vorbeieilen feixt.  

Kellers Bilanz ist an diesem Tag nach gut drei Vierteln des Preisjassens durchzogen: „Zuerst war es mittelprächtig, dann gut und jetzt, naja…“, erklärt sie vielsagend mit einem Lächeln, das prompt von ihrer Partnerin erwidert wird. „Klar“, würde sie gerne gewinnen, aber im Grunde genommen geht es hier doch um etwas ganz anderes: „Hier treffen wir uns jedes Jahr; hier sind wir fast wie in einer grossen Familie und haben es schön untereinander.“ Und prompt nickt die ganze Runde zustimmend.

„Das war schon früher so“

Man kennt sich hier also, und weiss oft um die Eigenheiten der Partner und des Gegners aus vergangenen Jahren. Zumal es meistens nicht bei den vier mal zwölf Runden bleibt, welche der Turniermodus vorgibt. Dann nach dem währschaften Znacht geht es oft noch weiter mit dem, was viele, die an diesem grauen Tag den Weg in die Mehrzweckhalle Kradolf haben, als ihr „liebstes Hobby“ bezeichnen. René Widmer ist so einer – und doch „jasst“ er nicht mit. Denn der Mann ist als Schiedsrichter für die Leitung des Turniers verantwortlich. „Hier sind alle sehr diszipliniert“, erklärt er lakonisch. Dennoch beobachtet er vom einen Seitenende ständig  aufmerksam  die vier Tischreihen an denen nicht weniger 116 Personen um den Sieg spielen. Wer dies tut, dem fällt zwangsläufig auf, dass unter den Jassenden sehr wenige Junge sind. Doch das macht Widmer keine Sorgen: „Das war schon früher so. Als ich 1974 als 19-jähriger unter Göpf Egg das Handwerk eines Jass-Schiedsrichter erlernte, war ich an Turnieren oft der einzige Junge unter lauter Stumpen rauchenden, älteren Männern.“