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Ein Abend, der nachdenklich stimmte

Dienstag, 23. Oktober 2012

13 Auftritte in zehn Tagen wird der Roma-Gruppe „Tsigane“ aus dem ungarischen Alsózsolca am Ende ihrer Schweizer Tournee zurück gelegt haben. Einer Tournee, die zum Erfolg zu werden verspricht, nimmt man ihren ersten Auftritt vom Sonntagabend in Eschlikon als Referenz.

CHRISTOF LAMPART

ESCHLIKON. Die elf Romas – die sich selber  ohne Scheu “Tsigane“, also Zigeuner, nennen – sind eine fröhliche Gruppe. Das merkt man ihrem Auftreten an. Trübsal blasen ist ihre Sache nicht. Im Konzert in der Evangelisch-Methodistischen Kirche in Eschlikon (EMK)  geht es vor über 70 Zuhörerinnen und Zuhören gleich voll zur Sache. Vier Bandmitglieder (zwei Gitarren, ein Bass, ein Schlagzeug) stehen vier singende Frauen und drei Männer gegenüber, welche während fast zwei Stunden singend und sprechend Zeugnis von ihrem Glauben an Jesus Christus ablegen. Denn Gott „ist für uns alles. Ohne ihn könnten wir wohl auch singen, aber nie so unsere Botschaft rüber bringen wie wir es hier vermögen“, erklärt Bassist Janos im Anschluss am Konzert beim gemeinsamen Kürbissuppe-Essen im Gemeinschaftsraum der EMK.

Heiss und kalt

Ihre Botschaft, die sie an diesem Abend einem restlos begeisterten Publikum überbringen, ist zeitlos und modern zugleich. Zeitlos, weil sie von der Liebe Jesus Christus zu den Menschen singen. Modern, weil sie zumeist poppige und rockige Klänge von sich geben. Es sind zeitgenössische Gospel, welche eine unverkennbar slawische Melodik mit schnellen Beats und einem wunderschönen, mehrstimmigen Gesang – an dem sich auch die Instrumentalisten beteiligen – zu einem selbstbewussten Ganzen vereinen. So wie ganz am Schluss, als sie „Ich bin stolz ein Roma zu sein“ singen und dabei das Publikum wiederholt „Halleluja“ antwortete. Da rieselte es einem abwechslungsweise kalt und heiss den Rücken runter.

Viel Halt im Glauben

Am Tag zuvor waren die Romas nach einer zwölfstündigen Fahrt angekommen. Dennoch klagt niemand über Müdigkeit. Vielmehr ist für alle die Reise „wie Ferien“. Nicht nur die Pfarrerin der EMK Eschlikon, Sabine Schneider,  kann nachvollziehen, warum das so ist. „Bei ihnen Hause herrscht eine Arbeitslosigkeit von gegen 80 Prozent und zudem werden die Romas in Ungarn diskriminiert, wo es nur geht“, weiss Schneider zu berichten. Eine charmante Dolmetscherin, die perfekt Deutsch sprechende Lilla Lakatos, begleitet die Gruppe. Sie selbst ist keine Roma, doch mit der Tragik dieser Leute vertraut. „Sie leben den Glauben. Er gibt ihnen Halt in einem Leben, das ansonsten kaum erträglich wäre“, erklärt die junge Frau.  

Nachdenkliche Schweizer

Doch von Traurigkeit ist an diesem Abend wenig zu spüren. Vielleicht Nachdenklichkeit ja – doch geht dieses Gefühl wohl vor allem vom Schweizer Publikum aus, das sich über die überschäumende Lebensfreude der Romas wohl mehr als nur einmal verwundert die Augen reibt. „Hier, in der Schweiz ist es schön“, sagt Janos anerkennend. Aber mit seiner Heimat tauschen möchte er, der von Beruf Baggerführer ist, nicht. „Es gibt so vieles in unserem Land, dass es zu verbessern gilt. In unserer Gemeinde haben jetzt ältere Frauen und Männer, die bereits 40 sind, das Abitur nachgeholt. Ich erachte es als gutes Zeichen, wenn die Leute mit Hilfe von Jesus ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen. Und dabei möchten wir alle gerne mithelfen.“