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Dieser Humor kommt um die Ecke

Freitag, 6. September 2013

Der deutsche Chansonnier Max Raabe (50), der für Lieder wie «Kein Schwein ruft mich an…» bekannt ist, gastiert morgen abend im Kreuzlinger «Dreispitz». Er spricht über Liebe, Lampenfieber und seine Kleidung.

Herr Raabe, wie gut kennen Sie die Ostschweiz?

Max Raabe: Also in Kreuzlingen war ich schon einmal mit dem Palast Orchester, aber fragen Sie mich nicht, wann das genau war. Ansonsten habe ich wahrscheinlich noch nicht in der Ostschweiz konzertiert. Ich weiss ehrlich gesagt auch nicht, wo die Ostschweiz anfängt und aufhört. Streichen wir doch einfach diese Frage! (lacht).

Sie konzertieren am Donnerstag im Kreuzlinger «Dreispitz» mit Ihrem Programm «Übers Meer». Was darf das Publikum von Ihnen und Ihrem Pianisten, Christoph Israel, erwarten?

Raabe: Ich werde Lieder singen, die vor allem aus der Zeit der Weimarer Republik stammen. Es sind Songs jüdischer Komponisten, die wenig später, aus bekannten politischen Gründen, nach Amerika emigrierten und mit einigen der Lieder dort Erfolg hatten. Es ist ein lustiges Programm, das die Leute unterhalten wird, da bin ich sicher.

Das Ostschweizer Publikum gilt als höflich-zurückhaltend; es wartet lieber einmal ab, bevor es dem Künstler Applaus spendet. Wie gehen Sie als Sänger damit um?

Raabe: Mir ist ein solches Publikum lieber als eines das herumgrölt. Ich denke, dass eine gewisse Zurückhaltung und die Lust am bewussten Zuhören auch dem Charakter dieser Lieder entsprechen. Denn die Lieder haben einen Humor, der «um die Ecke kommt». Dieser erzählt dem Zuhörer nicht nur einen Witz, sondern verrät ihm gleich etwas über sich selbst.

Sie singen von der Liebe, von den Frauen, von Liebesschmerz und Sehnsucht – und sprechen damit vielen Menschen aus der Seele. Haben Sie sich schon mal beim Gedanken erwischt: «Ich bin zwar ein guter Sänger, aber eigentlich wäre ich ein noch besserer Ratgeber in Liebesfragen!»?

Raabe: Nein, ganz sicher nicht! Ich bin froh, dass ich Sänger wurde. Aber es stimmt: Um das Thema «Liebe» kommt ein Sänger nicht herum. Ich bin mir sogar sicher, dass der erste Mensch in seiner Höhle von der Liebe gesungen hat. Dieses Thema ist immer aktuell – auch für mich.

Sie wirken auf der Bühne immer sehr souverän und ausgeglichen. Wie sieht das kurz vor dem Auftritt aus: Haben Sie Lampenfieber? Und wenn ja – wie bekämpfen Sie es?

Raabe: Nein, Lampenfieber habe ich Gott sei Dank nicht. Ich bin auf eine positive Art nervös. Wie ein Rennpferd, das den Start nicht abwarten kann.

Bei manchen Ihrer Lieder hat man das Gefühl, dass Sie mehr sprechen als singen. Stört es Sie, wenn man sie manchmal mehr als Erzähler denn als Sänger wahrnimmt?

Raabe: Nein, überhaupt nicht. Das ist sogar oft der Fall, dass die Sprache in den Liedern besonders akzentuiert wird. Die Melodie ist immer da, die Geschichte ist jedoch das Wichtigste. Und diese kommt am besten in dem herüber, was sie soeben Sprechen genannt haben.

Kleider machen bekanntlich Leute. Sie selbst treten stets gut gekleidet auf, so dass man sich einen Max Raabe ohne Bügelfalte kaum vorstellen kann. Verraten Sie uns einmal: Haben Sie stets ein Bügeleisen im Tournéegepäck oder bringt ein Heer dienstbarer Geister Ihre Garderobe in Ordnung?

Raabe: Ich bin gerne gut gekleidet, das stimmt. Aber genauso wahr ist es, dass ich, was die Kleider betrifft, ein ziemlich fauler Mensch bin. Mit meinem Frack muss ich nie überlegen, was ich wohl beim letzten Konzert in dieser Stadt anhatte. Das ist wie eine kleidsame Uniform und somit ganz praktisch. Ich habe immer ein paar Fräcke und Hemden mit mir mit; das ist aber schon fast alles, wenn ich auf Tournée bin.

Interview: Christof Lampart