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Die letzte Erfa ihrer Art

Montag, 11. Februar 2013

Die Erfa-Gruppe Weinfelden ist unterdessen die letzte «Erfahrungsaustausch-Gruppe» im Thurgau, wo sich Unternehmer austauschen. Seit der Gründung 1960 hat sich Zweck und Rolle der Organisation stark verändert.

CHRISTOF LAMPART

WEINFELDEN. Als die Weinfelder Erfa-Gruppe 1960 gegründet wurde, ging es den Mitgliedern vor allem um die Rationalisierung der Büro-Abläufe. Die auch heute noch auf die Ausstattung von Büros spezialisierte Büro Witzig AG aus Frauenfeld, war damals jene «Triebfeder», die es brauchte, um firmenübergreifend im Thurgau einen «Erfahrungsaustausch über Bürorationalisierung» ins Leben zu rufen. Ein Blick in die frühen Teilnehmerlisten und Protokolle der «Arbeitstagungen» zeigt, dass die Erfa damals ein ziemlich elitärer Club war. Raichle, Model oder Sulzer waren nur drei von vielen illustren Namen. Die Erfa war also mehr eine Arbeitgebervereinigung, denn die offene Diskussionsplattform für Netzwerker, als die sie sich heute präsentiert. Rund 200 Firmen, vor allem aus der Region zwischen Weinfelden und Kreuzlingen, gehören heute der Erfa an.

Sehr viele Unternehmer

Über Traktanden wie «Zentralisierter oder dezentralisierter Einkauf? Welches sind die Vor- und Nachteile?» oder «Die Vor- und Nachteile von Kaffeepausen» oder «Vor- und Nachteile des Rauchverbots im Büro», welche noch 1964 heiss diskutiert wurden, kann Christoph Lanter heute nur schmunzeln. Der Inhaber einer Weinfelder Web-Agentur komplettiert den Vorstand, dem auch Ewald Jenny, Herbert Bollhalder, Bernhard Spirig und Hansueli Wartenweiler angehören. «Wir sind heute in der Erfa alles Leute, die entweder ein eigenes Unternehmen leiten oder in leitender Position tätig sind», umreisst Lanter die Zielgruppe. Eine Mindestbetriebsgrösse für Erfa-Mitglieder gibt es nicht. Ein-Mann-Unternehmen gibt es manche unter den Mitgliedern, aber auch klassische Gewerbebetriebe, KMU sowie einige Banken und grössere Konzerne machen mit.

Rechtzeitig fertig

Aber warum genau sollte man sich heute noch Zeit für die Erfa nehmen? «Weil wir eine schöne, erholsame Oase im ansonsten oft hektischen Berufsalltag sind, in der man mal für eineinhalb bis zwei Stunden gut abschalten kann, auch wenn man dabei geistig gefordert wird», antwortet Lanter mit einem bildlichen Vergleich, und schiebt gleich ein fast unschlagbares Zeitargument hinterher. «Unsere Erfa-Anlässe fangen immer um 17 Uhr an. Das bedeutet, dass man innert kurzer Zeit viel Wissen kompakt vermittelt erhält, dann einer spannenden Diskussion folgen kann und – danach immer noch den ganzen Abend vor sich hat», so Lanter.

Wissen und Netzwerken

Der Wissensvermittlungsanspruch ist heute in der Erfa-Gruppe mindestens so hoch zu gewichten, wie das anschliessende Netzwerken beim Apéro. «Wir achten darauf, dass wir interessante Leute bekommen, die etwas zu sagen haben.» Oft helfen eigene Beziehungen, um nicht nur preiswert, sondern günstig oder gar gratis zum Wunschreferenten zu kommen. Kleinere Honorare sind zwar nicht mehr die Ausnahme von der Regel, aber «da wir nicht profitorientiert sind, kommen uns viele Redner preislich entgegen». Die Erfa finanziert sich fast ausschliesslich aus den Jahresbeiträgen ihrer Mitglieder. Im Obolus inbegriffen, sind nicht nur sämtliche Vorträge, sondern auch zwei mehrgängige Menus beim traditionellen Jahresendanlass, welcher stets im Dezember im Weinfelder «Trauben» über die Bühne geht.

Querdenker erwünscht

Die Liste der Referenten der letzten Jahre lässt sich sehen: Silvano Beltrametti, Kurt Aeschbacher, Erich von Däniken oder Thomas Jordan fanden schon den Weg in den Mittelthurgau. Aber auch kantonale «Macher» wie Regierungsrätin Monika Knill, der Weinfelder Fantasy-Schriftsteller Jyoti Guptara oder der Textilfabrikant Rolf Traxler aus Bichelsee sprachen schon vor der Erfa-Gruppe. «Wir wollen Menschen, die eine eigenständige Meinung vertreten, mit anderen Menschen, die auch Querdenker sind, zusammenbringen. Daraus ergeben sich dann oft nicht nur spannende Diskussionen, sondern ab und an auch die eine oder andere Freundschaft», sagt Lanter.